Leitsatz

Hat ein Kind gem. § 1615l BGB einen vorrangigen Unterhaltsanspruch gegen den Vater ihres Kindes, mit dem es nicht verheiratet ist, besteht nach der Geburt des Enkelkindes ein Kindergeldanspruch nur dann, wenn der Partner des Kindes den Unterhalt nicht vollständig leisten kann und auch das Kind nicht über ausreichend Einkünfte verfügt (sog. Mangelfall).

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Mutter ihrer im Jahr 1984 geborenen ledigen Tochter, für die sie zunächst laufend Kindergeld bezog, weil die Tochter studierte. Am 13.1.2006 bekam die Tochter selbst einen Sohn. Dessen Vater zahlt für seinen Sohn nicht, aber für die Kindesmutter Unterhalt. Am 1.9.2008 begann die Tochter eine Ausbildung. Die FK hob die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2006 auf, da kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestehe, weil nicht mehr die Klägerin, sondern der Kindesvater nach § 1615 I BGB zum Unterhalt verpflichtet sei. Die Klägerin macht im Klageverfahren geltend, ihr Kindergeldanspruch sei nicht durch den Unterhaltsanspruch ihrer Tochter gegen den, von der Tochter getrennt lebenden Kindesvater ausgeschlossen.

 

Entscheidung

Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Ein Mangelfall, der die Weitergewährung von Kindergeld an die Eltern über die Geburt des Kindeskindes hinaus erlaubt, liegt nicht vor, wenn - wie im Streitfall - die anzurechnenden Unterhaltsleistungen des Vaters des Kindeskindes ggf. zuzüglich eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG übersteigen. Das Prinzip der Halbteilung ist auf den Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 und 3 BGB des Kindes bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu übertragen, wenn das Kind mit dem Vater des Kindeskindes nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 und 3 BGB ermittelt sich in diesem Fall nach zivilrechtlichen Grundsätzen. Der Umstand, dass sich das Kind schon vor der Geburt ihres Kindes in Ausbildung befunden und diese anschließend fortgesetzt hat, lässt die Unterhaltspflicht des Kindesvaters fortbestehen, da eine Berufsausbildung/Studium keine Erwerbstätigkeit i. S. d. § 1615l BGB ist. Ein Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB besteht auch dann, wenn das Kind trotz Berufsausbildung die Vollbetreuung des Kindes maßgeblich zumindest mit übernimmt.

 

Hinweis

Die von dem FG zugelassene Revision wurde eingelegt (Anhängiges Verfahren beim BFH, III R 24/12). Versagen die FK in vergleichbaren Fällen die Gewährung von Kindergeld sollten die ablehnenden Bescheide mit einem Einspruch offen gehalten und auf das vorstehende Verfahren verwiesen werden. Wegen ähnlicher Rechtsfragen sind auch die Verfahren V R 42/11 und III R 55/12 beim BFH anhängig.

 

Link zur Entscheidung

Thüringer FG, Urteil vom 23.11.2011, 3 K 371/09

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