Können im Rahmen einer Betriebsprüfung keine oder keine vollständigen Unterlagen, die für die Besteuerung zwingend erforderlich sind, vorgelegt werden, so muss mit erheblichem Ärger gerechnet werden.

6.1 Die Beweiskraft der Buchführung

Ist der Prüfer nämlich der Auffassung, dass die vorgelegten Aufzeichnungen und Unterlagen nicht so beschaffen sind, dass es ihm innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, sich einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens zu verschaffen, wird er die Buchführung verwerfen. Das bedeutet, er wird die vorgelegte Buchführung nicht mehr für die Besteuerung heranziehen können. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO ist unausweichlich. Da hat der Prüfer wenig Spielraum.

Schlimmer noch: Entsprechen die vorgelegten Unterlagen nicht den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen (Kassen-)Buchführung und wird diese verworfen, so hat sie auch keinerlei Beweiskraft mehr. Die in § 158 AO beschriebene "Richtigkeitsvermutung" wird dadurch ausgehebelt. Die Folge ist, dem Unternehmer oder seinem steuerlichen Berater werden jegliche Argumente, die sich aus den vorhandenen Aufzeichnungen ergeben, entzogen, um einer möglicherweise unzutreffenden Schätzung gegenzuhalten.

In solchen Fällen, in denen eine steuerliche Schätzung geboten und dem Grunde nach zweifelsfrei auch begründet ist, geht es nur noch um die Höhe.

6.2 Schätzung der Besteuerungsgrundlagen

Oberstes Gebot bei einer Schätzung ist, die Höhe der Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie den tatsächlichen Verhältnissen mit großer Wahrscheinlichkeit so nahe als möglich kommt. Auch wenn eine sog. Strafschätzung ausscheidet, da sie unzulässig ist, bleibt immer noch eine große Bandbreite übrig. Nach einem Beschluss des BFH vom 13.10.2003[1] muss das gewonnene Schätzungsergebnis schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein.

6.3 Schätzung auf Gutachten-Basis

FG Hamburg v. 29.8.2017[1]

Genau damit hat sich das Finanzgericht Hamburg befasst.

Die Aufzeichnungen eines Taxiunternehmers, der seinen Gewinn mittels Einnahmen-Überschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, wiesen erhebliche Buchführungsmängel auf. Aufgrund der Verletzung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten war im Rahmen einer Außenprüfung unstrittig eine Hinzuschätzung geboten.

Das Gericht erachtete es für rechtens, die Erlöse auf der Grundlage der Jahresgesamtlaufleistung der Taxen zu schätzen. Die Laufleistungen wurden vom Prüfer mit einem Netto-Umsatzwert multipliziert, welcher sich aus einem von der Stadt Hamburg in Auftrag gegebenen Gutachten über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes ergibt. Dieser Nettowert ist als Umsatzgröße je Gesamtfahr-Kilometer und nicht als Umsatz je Besetztkilometer zu verstehen. Die Leer- und Privatfahrten seien in diesem Wert bereits mit einbezogen.

Der Senat attestierte dem Gutachten: Die Angaben zum Nettoumsatz je Kilometer stellen eine verlässliche Schätzungsgrundlage dar. Er habe keine Zweifel daran, dass die ermittelten Werte methodisch fundiert sind und auf einer ausreichenden Grundlage beruhen.

Das Gericht betonte außerdem, dass Unsicherheiten, die bei jeder Schätzung auftreten, grundsätzlich zulasten des Steuerpflichtigen gehen, solange sich die Schätzungsgröße innerhalb einer realistischen Bandbreite bewegt. Gibt es eine solche Bandbreite, so hat die Schätzung zuungunsten des Steuerpflichtigen zu erfolgen, indem Betriebseinnahmen am oberen Ende und Betriebsausgaben am unteren Ende der Spanne anzusiedeln sind. Eine besondere Härte kommt hier zum Ausdruck, die der Senat damit begründet, dass derjenige, der seine Buchführungspflichten nicht erfüllt, keinen Vorteil aus seinem Verhalten ziehen darf. Er bezieht sich dabei auf 2 Urteile aus gleichem Hause sowie auf ein Urteil des BFH v. 29.3.2001.[2]

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