Leitsatz

1. Ausschüttungen an den beherrschenden Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH fließen diesem in der Regel auch dann zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung i.S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu, wenn die Gesellschafterversammlung eine spätere Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs beschlossen hat (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Die Zahlungsfähigkeit der GmbH ist auch dann gegeben, wenn diese zwar mangels eigener Liquidität die von ihr zu erbringende Ausschüttung nicht leisten kann, sie sich als beherrschende Gesellschafterin einer Tochter-GmbH mit hoher Liquidität indes jederzeit bei dieser bedienen kann, um sich selbst die für ihre Ausschüttung erforderlichen Geldmittel zu verschaffen.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 29 GmbHG

 

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr mit 80,98 % am Stammkapital der X GmbH beteiligt. Die X GmbH war ihrerseits mit 97,5 % an der Y GmbH beteiligt. Am 5.11.2004 beschlossen die Gesellschafter der X GmbH eine Vorabausschüttung für das laufende Geschäftsjahr 2004 i.H.v. 4.140.000 EUR, die am 21.1.2005 zur Auszahlung fällig sein sollte. Die Vorabausschüttung wurde wie festgelegt am 21.1.2005 an die Gesellschafter ausgezahlt. Die X GmbH meldete die KapESt zum Februar 2005 an; der Kläger deklarierte den ausgeschütteten Betrag in seiner ESt-Erklärung 2005 als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Zuvor hatten die Gesellschafter der Y GmbH bereits am 27.9.2004 eine Vorabausschüttung für das laufende Geschäftsjahr 2004 i.H.v. 5 Mio. EUR beschlossen. Nach dem Ausschüttungsbeschluss war auch diese Ausschüttung am 21.1.2005 zur Auszahlung fällig. Die Y GmbH wies in ihrer Bilanz zum 31.12.2003 einen Kassenbestand i.H.v. 21.355.534 EUR und zum 31.12.2004 einen Kassenbestand i.H.v. 30.867.577 EUR aus. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Y GmbH zu jeder Zeit in der Lage gewesen wäre, die beschlossene Vorabausschüttung an die X GmbH sofort auszuzahlen. Zur Fälligkeit von Ausschüttungen waren in den Gesellschaftsverträgen der X GmbH wie der Y GmbH keine Regelung getroffen worden.

Das FA erfasste die Vorabausschüttung der X GmbH nicht wie vom Kläger erklärt als Einnahmen des Jahres 2005, sondern bereits für das Jahr 2004.

Die Klage blieb erfolglos (FG Köln, Urteil vom 17.10.2011, 7 K 783/08, Haufe-Index 2886335, EFG 2012, 834).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Die Vorabausschüttung, die der Kläger von der X GmbH erhalten habe, sei ihm bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung, d.h. im Streitjahr 2004, zugeflossen. Es komme auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung an. Die X GmbH sei auch zahlungsfähig gewesen, weil sie beherrschende Gesellschafterin der liquiden Y GmbH gewesen sei, sodass der Kläger als beherrschender Gesellschafter der X GmbH jederzeit imstande gewesen wäre, die Auszahlung ausreichender liquider Mittel durch die Y GmbH an ihre beherrschende Gesellschafterin, die X GmbH, zeitnah im Streitjahr (2004) zu veranlassen.

 

Hinweis

Dieser Fall treibt die Frage auf die Spitze, was steuerrechtlich unter "Zufluss" zu verstehen ist.

1. Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, d.h. in dem er über diese wirtschaftlich verfügen kann.

a) Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Bankkonto des Empfängers gutgeschrieben werden.

b) Indes kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht.

2. Für beherrschende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft hat die Rechtsprechung besondere Maßstäbe entwickelt:

Bei beherrschenden Gesellschaftern ist der Zufluss eines Vermögensvorteils aber nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen; denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen. Diese Regel zum Zufluss gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet.

a) Beim beherrschenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist als Zeitpunkt des Zuflusses von Gewinnanteilen in der Regel der Zeitpunkt der Beschlussfassung anzusehen, und zwar selbst dann, wenn in dem Beschluss über die Ausschüttung ein späterer Fälligkeitszeitpunkt bestimmt war. Denn der Anspruch des Gesellschafters einer GmbH auf Auszahlung des Gewinns entsteht mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Gewinns. Er wird nach Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses sofort fällig, wenn nicht die Satzung der GmbH Vorschriften über Gewinnabhebungen oder ...

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