Leitsatz

Die Klage eines Ausländers, der nur eine Aufenthaltsbefugnis besitzt, auf Zahlung von Kindergeld hat bei summarischer Beurteilung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen kann deshalb PKH gewährt werden (Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2 Satz 1

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 13.09.2000, VI B 134/00

Anmerkung

Im Streitfall ging es um einen Libanesen (Antragsteller – Ast.), der seit 1990 mit einer Familie in Deutschland lebt. Er hat eine befristete Aufenthaltsbefugnis und erhält für sich und seine Familie Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz in Höhe von monatlich rd. 4.200 DM. Seinen Antrag auf Zahlung von Kindergeld für seine sechs Kinder lehnte die Familienkasse mit der Begründung ab, nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG erhalte ein Ausländer nur dann Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Eine Aufenthaltsbefugnis genüge nicht.

Gegen die Ablehnung seines Antrags hat der Ast. Klage erhoben. Er führt unter Berufung auf einen Erlass des Niedersächsischen Ministers des Inneren vom 18.10.1990 aus, sein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik sei mindestens so sicher wie das eines Ausländers mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis. Inhaber einer solchen sicheren Aufenthaltsbefugnis müssten den Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung gleichgestellt werden.

Seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe hat das FG mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Die Beschwerde hiergegen hatte Erfolg. Der BFH geht davon aus, dass einer Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten beizumessen sind, wenn für den Eintritt des Erfolgs bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Ein Rechtsschutzbegehren habe in aller Regel dann Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhänge. Diese Voraussetzung hält der BFH im Streitfall für gegeben.

Als ungeklärt sieht der BFH die – bereits in mehreren Verfahren vor dem BFH aufgeworfene – Frage an, ob die Vorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG , auf die die Familienkasse die Ablehnung des Kindergelds stützt, mit dem Gleichheitssatz ( Art. 3 Abs. 1 GG ) vereinbar ist. Der BFH hat zwar wiederholt entschieden, dass bei summarischer Prüfung gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG keine Bedenken bestünden. Daran hält er jedoch nicht mehr fest.

Im Hauptverfahren wird nunmehr zu prüfen sein, ob der Ausschluss des Ast. vom Bezug des Kindergelds mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist und – wenn nicht -, ob eine Vorlage an das BVerfG erforderlich ist.

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