8.2.1 Gesamtentlastung und Einzelentlastung

 

Rz. 581

Die Gesellschafterversammlung entscheidet über die Entlastung mit einfacher Mehrheit, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag eine größere Mehrheit bestimmt (§ 47 Abs. 1 GmbHG). Ein Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegt hierbei einem Stimmverbot gem. § 47 Abs. 4 GmbHG.

 

Rz. 582

Die Beschlussfassung kann entweder in Bezug auf jeden einzelnen Geschäftsführer (Einzelentlastung) oder zeitgleich bezüglich der gesamten Geschäftsführung erfolgen (Gesamtentlastung). Letzteres entspricht dem Gedanken der Gesamtverantwortung der Organmitglieder und ist daher der Regelfall. Der Versammlungsleiter der Gesellschafterversammlung kann Einzelentlastung anordnen, wenn er dies für sachgerecht hält, z. B. weil die einzelnen Geschäftsführer bestimmte Vorgänge in unterschiedlicher Weise zu verantworten haben, weil ein Antrag auf Gesamtentlastung gescheitert ist und/oder weil der Geschäftsführung Gesellschafter angehören, die gem. § 47 Abs. 4 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen sind.[1] Als rein verfahrenstechnische Frage kann die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit darüber befinden, ob eine Einzel- oder Gesamtentlastung erfolgen soll; der Versammlungsleiter ist an diese Entscheidung gebunden.[2]

 

Rz. 583

Für die Entlastung von Aufsichtsratsmitgliedern gelten dieselben Regeln, sofern nicht das Mitbestimmungsrecht auf das AktG verweist.[3] Über die Entlastung von Geschäftsführung einerseits und Aufsichtsrat andererseis sollte getrennt entschieden werden, da es sich regelmäßig um die Beurteilung unterschiedlicher Sachverhalte handeln wird.[4]

 

Beispiel für einen Entlastungsbeschluss:

Muster IV, 9.

 

Einzelentlastung anordnen

Sind Mitglieder der Geschäftsführung in nennenswertem Umfang als Gesellschafter beteiligt, sollte der Versammlungsleiter stets Einzelentlastung anordnen.

[1] Näher zum Stimmrechtsausschluss bei Einzel- und Gesamtentlastung vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 47 Rn. 77 ff.
[3] Altmeppen, in Roth/Altmeppen, § 46 Rn. 61.
[4] Bei der AG wäre es sogar unzulässig, über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zusammen abzustimmen, Hüffer, AktG, § 120 Rn. 8; OLG München, Beschluss v. 13.9.2005, 7 U 2759/05, WM 2006 S. 1486.

8.2.2 Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG

 

Rz. 584

(Aktuelle oder frühere) Mitglieder der Geschäftsführung unterliegen bei der Beschlussfassung über ihre Entlastung gem. § 47 Abs. 4 GmbHG einem Stimmverbot.[1] Im Falle der Gesamtentlastung gilt das Stimmverbot für die Abstimmung über alle Geschäftsführer. Im Falle der Einzelentlastung besteht ein Stimmverbot nur bei der Beschlussfassung über die eigene Entlastung. Diejenigen Gesellschafter, um deren Entlastung es nicht geht, dürfen hingegen von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen.[2] Ein erweiterter Stimmrechtsausschluss besteht nur dann, wenn Umstände vorliegen, die eine getrennte Beurteilung unmöglich machen, insb. wenn mehrere Mitglieder der Geschäftsführung gemeinsam an einer Pflichtverletzung mitgewirkt haben.[3]

 

Rz. 585

Ist der einzige Geschäftsführer oder Vorstand einer Mutter-Gesellschaft zugleich Geschäftsführer oder Aufsichtsrat einer Tochtergesellschaft, ist eine Entlastung unmöglich.[4] Dasselbe gilt bei der Ein-Personen-Gesellschaft, wenn der einzige Gesellschafter zugleich als Geschäftsführer fungiert.

[1] Das gilt jedoch nicht, wenn der einzige oder sämtliche Gesellschafter vom Stimmverbot betroffen sind, weil ansonsten eine Willensbildung der Gesellschaft ausgeschlossen wäre, siehe dazu Schinder, in BeckOK-GmbHG, § 47 Rn. 126 f. Allerdings ist bei einer Ein-Personen-GmbH, bei der der Alleingesellschafter auch Mitglied der Geschäftsführung ist, eine Entlastung unmöglich, K. Schmidt, in Scholz, § 47 Rn. 105; a. A. Drescher, in MüKo-GmbHG, § 47 Rn. 187; Schwichtenberg, GmbHR 2007, S. 400, 402.
[4] Drescher, in MüKo-GmbHG, § 47 Rn. 194; Römermann, in Michalski, § 47 Rn. 135; Lohr, NZG 2002, S. 551 ff.

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