Leitsatz (amtlich)

1. Wird in einer Gesellschafterversammlung ein Antrag abgelehnt, weil ein von der Abstimmung ausgeschlossener Gesellschafter dagegen stimmt, so kann die gegen den ablehnenden Beschluß erhobene Anfechtungsklage mit der Feststellung verbunden werden, der Antrag sei angenommen worden, sofern der Geschäftsführer – falls das nicht gewährleistet ist, das Gericht – die widersprechenden Gesellschafter von der Erhebung beider Klagen in Kenntnis setzt (Ergänzung BGH, 1983-10-26, II ZR 87/83, BGHZ 88, 320).

2. Wird darüber abgestimmt, ob ein Ersatzanspruch geltend gemacht werden soll, der der Gesellschaft gegen einen Geschäftsführer oder Gesellschafter zusteht, so ist nicht nur der unmittelbar betroffene, sondern grundsätzlich auch der Gesellschafter von der Abstimmung ausgeschlossen, der mit ihm gemeinsam die Pflichtverletzung begangen hat. Die gleichen Grundsätze gelten, wenn es um die Bestellung des Organs geht, das die Gesellschaft im Prozeß gegen Geschäftsführer und Gesellschafter vertreten soll.

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. Dezember 1984 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

An der verklagten GmbH sind die Klägerin und ihr Bruder mit je 150.000 DM und die Geschwister Ch E., C.-H. E. und M.-T. W. geb. E. mit je 220.000 DM beteiligt. Die Geschwister Eibes sind zugleich die Gesellschafter der EWE-GmbH, die Anfang 1969 gegründet und am 3. Februar 1969 in das Handelsregister eingetragen wurde. Geschäftsführer der Beklagten ist Ch E., Geschäftsführer der EWE sind seine beiden Geschwister.

Am 5. Februar 1969 kaufte die EWE von der Stadt A. etwa 15.000 mÜ Industriegelände zum Preise von 5,– DM je mÜ. Sie errichtete auf einer Teilfläche von 5000 mÜ Betriebsgebäude und vermietete sie am 9. Dezember 1970 auf die Dauer von 15 Jahren zu einem monatlichen – jährlich dem Preisindex für die Lebenshaltung entsprechend anzupassenden – Mietzins von 8.000 DM als Produktionsstätte an die von Ch E. vertretene Beklagte. Später wurde dieser auch das auf dem Grundstück errichtete Lager- und Verwaltungsgebäude vermietet.

Einstimmig entlasteten die Gesellschafter der Beklagten deren Geschäftsführer letztmals für das Geschäftsjahr 1968/69. Die Entlastungen für die späteren Geschäftsjahre bis einschließlich 1981/82, die die Geschwister E. jeweils gegen die Stimmen der Klägerin und ihres Bruders beschlossen hatten, hat die Klägerin mit Erfolg angefochten. Für das Geschäftsjahr 1982/83 steht eine rechtskräftige Entscheidung noch aus. Die Geschwister E. beschlossen ferner am 14. April 1969 und 20. März 1975 gegen die Stimmen der Klägerin und deren Bruder, daß die Beklagte gemeinsam mit der EWE Kredite aufnehmen solle. Die Klägerin focht auch diese Beschlüsse mit Erfolg an und erwirkte einstweilige Verfügungen, durch die der Beklagten die Kreditaufnahmen jeweils untersagt wurden.

In der Gesellschafterversammlung vom 9. Juli 1982 entschieden die Gesellschafter über die Anträge der Klägerin, gegen die Geschwister E. Schadensersatzansprüche, die der Beklagten aus deren Betriebsansiedlung in A. sowie aus den Prozessen über Entlastung und Kreditaufnahme entstanden seien, gerichtlich geltend zu machen und die Klägerin zum Prozeßvertreter zu bestellen. Über die Beschlußgegenstände wurde nicht einheitlich für alle drei Gesellschafter, sondern für jeden gesondert abgestimmt; die Klägerin und ihr Bruder stimmten jeweils dafür, die beiden jeweils nicht unmittelbar betroffenen Geschwister E. stimmten dagegen, so daß als Beschlußergebnis festgestellt wurde, daß die Anträge abgelehnt seien.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Geschwister E. hätten, weil sie der Beklagten alle wegen derselben Pflichtverletzung ersatzpflichtig seien, kein Stimmrecht gehabt. Die Klägerin hat die Beschlüsse angefochten und gleichzeitig auf Feststellung geklagt, daß mit ihrer Stimme und der ihres Bruders die Beschlüsse wie beantragt gefaßt worden seien. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klagen abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anfechtungsklage und der Klage auf Feststellung eines positiven Beschlußergebnisses bestehen nicht. Soweit die Revision unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 9. Dezember 1968 (BGHZ 51, 209, 211) geltend macht, daß ein anfechtbarer Beschluß fehle, wenn bei einer GmbH die gesetzlich vorgeschriebene Mehrheit für einen nicht satzungsändernden Gesellschafterbeschluß nicht erreicht sei (ähnlich Sen.Urt. v. 15.5.1972 – II ZR 70/70, LM GmbHG § 29 Nr. 2 unter III 1 b), übersieht sie, daß der Senat diese Rechtsprechung aufgegeben hat und nunmehr mit der im Schrifttum überwiegend vertretenen Ansicht davon ausgeht, daß auch die formal einwandfrei zustande gekommene Ablehnung eines Beschlußantrags mit Mehrheit oder infolge Stimmengleichheit ein Beschluß ist, der aus sachlichen Gründen nichtig oder anfechtbar sein kann; denn nur so ist für den antragstellenden Gesellschafter ein in allen Fällen ausreichender Rechtsschutz gewährleistet (BGHZ 88, 320, 328).

Für den Fall, daß mit der Anfechtungsklage die unrichtige Feststellung eines so nicht zustande gekommenen Beschlusses beseitigt wird, kann mit der gleichzeitig erhobenen Feststellungsklage verbindlich geklärt werden, was in Wahrheit beschlossen worden ist (vgl. BGHZ 76, 191; 88, 320). Bedenken gegen die Verbindung beider Klagen bestehen nur insofern, als der gerichtlich festzustellende Beschluß selbst wieder an einem Gesetz- oder Satzungsverstoß leiden oder mißbräuchlich sein kann und deshalb von anderen Gesellschaftern angefochten worden wäre, wenn der Versammlungsleiter nicht festgestellt hätte, daß mit ihren Stimmen der Antrag abgelehnt worden sei. Der deshalb von Karsten Schmidt vorgeschlagene Weg, die Feststellung des positiven Beschlußergebnisses mit einer gegen die den Antrag ablehnenden Gesellschafter gerichteten Klage auf positive Stimmabgabe zu verbinden (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Anm. 29; anders wohl: AG 1980, 169, 171 f.) ist in den Fällen nicht begehbar, in denen es – wie hier – darum geht, daß die betreffenden Gesellschafter nicht stimmberechtigt und deshalb von vornherein auch nicht verpflichtet sind, in einem bestimmten Sinne abzustimmen. Auch ist die analog § 248 AktG auf eine rechtsgestaltende Urteilswirkung zielende „positive Beschlußfeststellungsklage” ebenso wie die Anfechtungsklage nur gegen die Gesellschaft und – entgegen Fischer/Lutter, GmbHG, Anh. § 47 Anm. 32 – nicht zugleich gegen die daneben betroffenen Mitgesellschafter als notwendige Streitgenossen zu richten. Es genügt, wenn die betroffenen Mitgesellschafter von der Klageerhebung in Kenntnis gesetzt werden und auf diese Weise Gelegenheit erhalten, als Nebenintervenienten auf seiten der verklagten Gesellschaft Mängel des Beschlusses, dessen Feststellung der Kläger wünscht, einredeweise geltend zu machen. In der Aktiengesellschaft erlangen die Gesellschafter die Kenntnis dadurch, daß entsprechend § 246 Abs. 4 AktG, die Erhebung der Feststellungs- ebenso wie die der Anfechtungsklage unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen ist (vgl. BGHZ 76, 191, 200). In der GmbH ist der Geschäftsführer entsprechend § 246 Abs. 4 AktG verpflichtet, die Gesellschafter davon zu unterrichten, daß der Beschluß angefochten und zugleich eine anders lautende gerichtliche Feststellung des Beschlußergebnisses verlangt wird (vgl. Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Anm. 86, 92). Nicht erforderlich ist, daß der auf diese Weise unterrichtete Gesellschafter dem Verfahren auf seiten der Gesellschaft beitritt (im Urteil des Senats vom 26.10.1983, BGHZ 88, 320, 330, war nur im Hinblick auf einen tatsächlich erfolgten Beitritt zu beurteilen, ob die Verbindung beider Klagen zulässig sei; Leitsatz und Gründe sind nicht so zu verstehen, daß der Beitritt erfolgen müsse und es nicht schon ausreiche, daß der Gesellschafter von der Klageerhebung in Kenntnis gesetzt wird).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat allerdings auch das Gericht dafür Sorge zu tragen, daß der Anspruch auf rechtliches Gehör der Gesellschafter nicht verletzt wird, die zwar nicht förmlich am Verfahren beteiligt sind, denen gegenüber die richterliche Entscheidung aber materiell-rechtlich wirkt (BVerfGE 60, 7). Hierzu wird immer dann Anlaß bestehen, wenn sich das Gericht keine Überzeugung davon zu verschaffen vermag, daß die Klageerhebung in den Gesellschaftsblättern einer Aktiengesellschaft bekannt gemacht worden ist oder der Geschäftsführer der GmbH seine Informationspflicht gegenüber den Gesellschaftern erfüllt hat. Im vorliegenden Falle erübrigte es sich, den Gesellschaftern die Klageschrift von Amts wegen zuzustellen und sie auf diese Weise in Kenntnis zu setzen, weil bei den hier gegebenen Verhältnissen davon ausgegangen werden konnte, daß sie diese Kenntnis hatten. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stehen seit mehr als 10 Jahren die drei Gesellschafter des Stammes E. der Klägerin und deren Bruder in allen Abstimmungen als geschlossene Gruppe gegenüber, in denen es um Angelegenheiten geht, die das Betriebsgrundstück betreffen. Auch die Revision stellt die Kenntnis nicht in Frage.

2. In der Sache hat das Berufungsgericht das vom Versammlungsleiter festgestellte Beschlußergebnis, die von der Klägerin zur Abstimmung gestellten Anträge seien abgelehnt, für anfechtbar gehalten, weil nach § 47 Abs. 4 GmbHG jeweils zwei der Geschwister E. nicht hätten mitabstimmen dürfen, soweit es um den Beschluß gegen das dritte Mitglied ihrer Gruppe gegangen sei; denn die Schadensersatzansprüche, deren gerichtliche Geltendmachung habe beschlossen werden sollen, ergäben sich aus einer von den drei Geschwistern E., gemeinschaftlich begangenen Pflichtverletzung, die nach Darstellung der Klägerin darin bestanden habe, daß die Gesellschaftergruppe E. der Gesellschaft die Chance, ein dringend benötigtes Grundstück preisgünstig zu erwerben, entzogen und für die von ihr beherrschte und zu diesem Zweck eigens gegründete EWE genutzt habe. Diese Ausführungen greift die Revision ohne Erfolg an.

a) Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß das Stimmrecht nicht schon dann nach § 47 Abs. 4 GmbHG ausgeschlossen ist, wenn sich der Gesellschafter in einem irgendwie gearteten Konflikt zwischen seinen außergesellschaftlichen Interessen und denen der Gesellschaft befindet; eine solche Lösung ginge auf Kosten der Rechtssicherheit und könnte ein sachgerechtes Zusammenwirken der Gesellschafter entsprechend dem Gewicht ihrer Beteiligungen in Frage stellen (BGHZ 68, 107, 109; 80, 69, 71). Ausdrücklich nimmt das Gesetz nur dem Gesellschafter das Stimmrecht, gegen den die gerichtliche Geltendmachung von Ersatzansprüchen beschlossen werden soll. Das schließt aber nicht aus, § 47 Abs. 4 GmbHG in vergleichbaren Fällen sinngemäß anzuwenden, wenn nämlich das Interesse und somit auch das Ausmaß des Interessenkonflikts für mehrere Gesellschafter identisch ist. In diesem Zusammenhang kommt der weitere im § 47 Abs. 4 GmbHG ebenfalls zum Ausdruck gekommene Grundgedanke des Stimmverbots zum Tragen, daß nämlich ein Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf (BGHZ 9, 157, 178; Sen.Urt. v. 29.1.1976 – II ZR 19/75, LM GmbHG, § 47 Nr. 24; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Anm. 89, 121 ff.; Fischer/Lutter, GmbHG, § 47 Anm. 14; Reuter in: MünchKomm, § 34 BGB Anm. 2). Als solcher ist der Gesellschafter nach § 47 Abs. 2 Satz 1 GmbHG von der Abstimmung ausgeschlossen, wenn es um seine Entlastung, also die Billigung oder Mißbilligung seiner Geschäftsführung geht. Das an diesen Fall einer Interessenkollision geknüpfte Stimmverbot ist über den Gesetzeswortlaut hinaus für alle Gesellschafterbeschlüsse generalisierungsfähig, die darauf abzielen, das Verhalten eines Gesellschafters ähnlich wie bei der Entlastung des Geschäftsführers zu billigen oder zu mißbilligen (vgl. Karsten Schmidt und Lutter, jeweils a.a.O.). Um diese Frage, also um Billigung und Mißbilligung, geht es regelmäßig auch, wenn die Gesellschafter beschließen, ob sie einen Mitgesellschafter wegen einer Pflichtverletzung zur Rechenschaft ziehen oder nicht. Denn ohne daß Art und Schwere des Vorwurfs sowie seine Bedeutung für Geschäftsbetrieb und Bestand der Gesellschaft gewürdigt werden, läßt sich die Frage, ob der Gesellschafter zur Rechenschaft gezogen werden soll, nicht abschließend beantworten. Der Gesellschafter, um dessen unmittelbare Inanspruchnahme es geht, kann den ihm vorgeworfenen Sachverhalt nicht unbefangen beurteilen und ist deshalb ausdrücklich nicht stimmberechtigt. In demselben Maße befanden sind aber auch die Gesellschafter, die mit ihm die Pflichtverletzung gemeinsam begangen haben. Geht es um den Vorwurf gemeinsamer Verfehlungen, so ist die gegen einen Mittäter erhobene Beschuldigung auch „eigene Sache” der übrigen Beteiligten, die also – wenn sie das Verhalten des Mittäters zu beurteilen haben – zugleich ihr eigenes Fehlverhalten zu billigen oder zu mißbilligen hätten. Dieses Richten in eigener Sache ist ihnen versagt, so daß alle Gesellschafter, gegen die wegen einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung Ersatzansprüche geltend gemacht und gerichtlich durchgesetzt werden sollen, von der Abstimmung darüber ausgeschlossen sind (so im Ergebnis Scholz/K. Schmidt, a.a.O., Anm. 120; vgl. auch Hachenburg/Schilling, GmbHG, § 47 Anm. 57; Roth, GmbHG, § 47 Anm. 5.3.2). Dabei kommt es für die Frage, ob ein einheitlicher Beschlußgegenstand vorliegt, allein auf den sachlichen Zusammenhang, also auf den Vorwurf gemeinsamer Verfehlung und nicht darauf an, ob gegen alle Beteiligten in einem Akt oder gegen jeden getrennt abgestimmt wird.

b) Der Stimmrechtsausschluß aller wegen derselben Pflichtverletzung in Anspruch zu nehmender Gesellschafter gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft im Prozeß gegen sie vertreten soll (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Anm. 118; Hachenburg/Schilling, GmbHG, § 46 Anm. 36; § 47 Anm. 72). Das Stimmrecht in diesem Punkt auszuschließen, ist ebenfalls sachgerecht, weil von dem betroffenen Gesellschafter nicht erwartet werden kann, daß er einen Prozeßvertreter auswählt und bestellt, der gegen ihn selbst die Interessen der Gesellschaft am entschiedensten vertritt. An einer möglichst sachgerechten und wirkungsvollen Prozeßvertretung der Gesellschaft ist aber andererseits der Gesellschafter interessiert, der die Ersatzansprüche durchgesetzt wissen will, so daß sein Interesse in diesem Punkt mit dem der Gesellschaft identisch ist und deshalb kein Grund besteht, ihn von der Abstimmung auszuschließen, wenn es um seine Bestellung geht. Daß die Gesellschafter ihre eigene Bestellung zum Vertretungsorgan der Gesellschaft mitbeschließen dürfen, ist allgemein anerkannt (BGHZ 18, 205, 210; 51, 209, 216; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Anm. 118, 63; Hachenburg/Schilling, GmbHG, § 47 Anm. 68; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG § 46 Rdnr. 40, Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Anm. 21, 47 Anm. 51, anders allerdings zur Bestellung des Prozeßvertreters unter § 46 Anm. 46).

Die Revision verweist in diesem Zusammenhang zu Unrecht darauf, daß die Gesellschafter einen Vertreter der Gesellschaft nur für Prozesse gegen den Geschäftsführer, nicht aber auch insoweit hätten bestellen können, als Gesellschafter verklagt werden sollten, die keine Geschäftsführer sind. Richtig ist daran, daß § 46 Nr. 8 GmbHG ausdrücklich nur von Prozessen gegen Geschäftsführer spricht. Der Gesetzgeber hat sich dabei von der Überlegung leiten lassen, daß bei einer Klage gegen einen Geschäftsführer für Abhilfe gesorgt werden muß, falls nunmehr die nötige Zahl vertretungsberechtigter Geschäftsführer fehlt oder nicht sichergestellt ist, daß die übrigen Geschäftsführer die Interessen der Gesellschaft mit dem gebotenen Nachdruck gegen ihren Mitgeschäftsführer verfolgen, daß dagegen die Geschäftsführer die Gesellschaft vertreten können, wenn es gilt, gegen Gesellschafter die Ersatzansprüche durchzusetzen, von denen in der genannten Bestimmung ebenfalls die Rede ist. Ist aber die Vertretungsmacht im Einzelfall nicht gegeben, weil der Geschäftsführer wegen derselben Pflichtverletzung wie die nicht geschäftsführenden Gesellschafter in Anspruch genommen werden soll und deshalb gehindert ist, insoweit die Gesellschaft zu vertreten, so bestehen keine rechtlichen Bedenken, daß die Gesellschafter analog § 46 Nr. 8 GmbHG der Gesellschaft einen Vertreter bestellen, damit jene ihre Ansprüche gegen ihre Gesellschafter gerichtlich durchsetzen kann.

c) Unbegründet sind auch die Bedenken der Revision, daß ein Minderheitsgesellschafter mit der bloßen Behauptung, seine Mitgesellschafter hätten gemeinschaftlich gehandelt, diese ausschalten und eine unter Umständen für die Gesellschaft kostspielige Klage erzwingen könnte; zumindest müsse schon im Anfechtungsprozeß geklärt werden, ob Tatbeteiligung und Ansprüche wenigstens dem Grunde nach beständen. Geht es um die gerichtliche Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer, so reicht es grundsätzlich aus, daß der die Abstimmung beantragende Gesellschafter im einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der einzelnen Mitgesellschafter besteht; ähnlich wie bei der von einer Minderheit nach § 147 AktG zu erzwingenden Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Gründer Vorstandsmitglieder etc. (vgl. hierzu Hefermehl in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 147 Anm. 2) kommt es auch im GmbH-Recht nicht darauf an, ob der Prozeß Aussicht auf Erfolg hat (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Anm. 119). Es würde die Durchsetzung der Ersatzansprüche unzumutbar erschweren, wenn schon im Anfechtungsprozeß und – mangels Rechtskrafterstreckung – im nachfolgenden Prozeß nochmals gerichtlich geklärt werden müßte, ob der Haftungsgrund besteht. Aus demselben Grunde ist es auch unerheblich, ob die Gesellschafter, die eine Pflichtverletzung gemeinsam begangen haben sollen, (etwa wegen einer umstrittenen Entlastung) nach § 425 BGB oder aus anderen Gründen unter Umständen unterschiedlich haften. Auch in diesem Punkt ginge es um die Erfolgsaussichten der Klage, auf die es für den Stimmrechtsausschluß grundsätzlich nicht ankommt.

Das Berufungsgericht hat angesichts der Tatsache, daß das Gesamtverhalten der Gesellschaftergruppe E. bereits in mehreren rechtskräftigen Urteilen mißbilligt worden ist, mit Recht angenommen, daß der beabsichtigte Schadensersatzprozeß nicht von vornherein aussichtslos, die Beschuldigung also nicht aus der Luft gegriffen sei, und die Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Beklagten, Grundstückskauf und Vermietung seien aus tatsächlichen Gründen nicht pflichtwidrig, vielmehr für die Beklagte vorteilhaft gewesen, zutreffend dem nachfolgenden Prozeß vorbehalten.

d) Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß die Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, daß nicht nur der von der jeweiligen Abstimmung Betroffene, sondern alle Gesellschafter des Familienstammes E. von der Abstimmung ausgeschlossen waren, als es um ihre Inanspruchnahme wegen derselben Pflichtverletzung ging, und daß ihre dennoch abgegebenen Stimmen bei der Feststellung der Beschlußergebnisse zu Unrecht berücksichtigt worden sind. Die Anträge sind ohne die zu Unrecht mitgezählten Stimmen mit denen der Klägerin und ihres Bruders angenommen worden, so daß die Feststellung, sie seien abgelehnt worden, unrichtig ist. Nachdem die festgestellten Beschlußergebnisse wirksam angefochten und damit beseitigt sind, hat das Berufungsgericht zu Recht festgestellt, daß die Gesellschafter die Anträge in Wahrheit angenommen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 650001

BGHZ, 28

NJW 1986, 2051

ZIP 1986, 429

JZ 1986, 549

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge