3.3.1 Tatbestände einer vorzeitigen gewinnerhöhenden Auflösung

Der Ausgleichsposten ist nach § 4g Abs. 2 EStG 2022 vollständig aufzulösen, wenn ein Ereignis i. S. d. § 36 Abs. 5 Satz 4 EStG eintritt oder ein Steueranspruch aus der Auflösung des Ausgleichspostens gefährdet erscheint. Ferner erhält das zuständige Finanzamt die Möglichkeit, bei Gefährdung des Steueranspruchs aus der Auflösung des Ausgleichspostens vom Steuerpflichtigen eine Sicherheit zu verlangen. Wird diese vom Steuerpflichtigen nicht gestellt, ist der Ausgleichsposten ebenfalls im vollen Umfang gewinnerhöhend aufzulösen. Weitere schädliche Ereignisse i. S. d. § 36 Abs. 5 Satz 4 EStG sind:

  • wenn ein Wirtschaftsgut veräußert, entnommen, in einen nicht EU/EWR-Staat überführt oder verdeckt in eine Kapitalgesellschaft eingelegt wird,
  • wenn der Betrieb oder Teilbetrieb während dieses Zeitraums eingestellt, veräußert oder in einen nicht EU/EWR-Staat verlegt wird,
  • wenn der Steuerpflichtige aus der inländischen unbeschränkten Steuerpflicht oder der unbeschränkten Steuerpflicht in einem anderen EU/EWR-Staaten ausscheidet oder in einem anderen als einem EU/EWR-Staaten ansässig wird,
  • wenn der Steuerpflichtige Insolvenz anmeldet oder der Betrieb abgewickelt wird oder
  • wenn der Steuerpflichtige seinen Verpflichtungen im Zusammenhang mit den Ratenzahlungen nicht nachkommt und hierbei über einen angemessenen Zeitraum (der 12 Monate nicht überschreiten darf), keine Abhilfe hinsichtlich seiner kritischen Situation schafft.

3.3.2 Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 4g EStG

Bei der bisherigen Ausgestaltung von § 4g EStG a. F. war insbes. strittig, ob die Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf unbeschränkt Stpfl. und damit in der Praxis sogenannte Rücküberführungen von Wirtschaftsgütern innerhalb von EU-Mitgliedstaaten zu Recht nicht begünstigt waren. Die EU-Kommission hatte diesbezüglich unter dem Gesichtspunkt der Freizügigkeit ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

 
Praxis-Beispiel

Die österreichische Kapitalgesellschaft X-GesmbH hat eine Fabrikationsbetriebsstätte in Stuttgart. Sie ist damit nach § 2 Nr. 1 KStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG und § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Ein Wirtschaftsgut wird aus der deutschen Betriebsstätte in das österreichische Stammhaus überführt. Es kommt zu einem Ausschluss des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Die Rechtsfolge ist eine Entstrickung. Die Stundung über den Ausgleichsposten nach § 4g EStG a. F. wurde in seiner bisherigen Fassung nicht gewährt (§ 4g Abs. 1 Satz 1 EStG a. F.), da die Körperschaft beschränkt steuerpflichtig ist. Dies wurde in der Literatur (vgl. auch Kudert, PIStB 2020, 95) wegen Verstoßes gegen die Freizügigkeit kritisiert.

Diese Rechtslage ändert sich ab 2022 nach dem ATAD UmsG. Denn § 4g Abs. 1 Satz 1 EStG 2022 hat den folgenden Wortlaut: "Der Steuerpflichtige kann in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Buchwert und dem nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 1 zweiter Halbsatz anzusetzenden Wert eines Wirtschaftsguts auf Antrag einen Ausgleichsposten bilden, soweit das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts zugunsten des Staates im Sinne des § 36 Absatz 5 Satz 1 beschränkt oder ausgeschlossen wird (§ 4 Absatz 1 Satz 3)." § 36 Abs. 5 Satz 1 EStG 2022 enthält folgende Ergänzung: "Die festgesetzte Steuer, […], kann auf Antrag des Steuerpflichtigen in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden, wenn die Wirtschaftsgüter einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums zuzuordnen sind […]." Weitere Voraussetzung des § 36 Abs. 1 EStG ist, dass sich die EU/EWR-Staaten im Rahmen der Amtshilfe und der Beitreibung von Steuern gegenseitig unterstützen. Dies ist im Verhältnis zu Österreich der Fall (s. Beispiel oben). Damit sind die strittigen Fälle des Ausschlusses von beschränkt Steuerpflichtigen aus der aufgeschobenen Besteuerung bereinigt.

Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung in dem geplanten Anwendungsschreiben eine rückwirkende Anwendung in allen noch offenen Fällen akzeptiert.

3.3.3 Wertansatz in Verstrickungsfällen

Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie gibt für EU- bzw. EWR-Fälle auf Ebene des Entstrickungsstaates eine ratierliche Stundung über 5 Jahre vor. Sie regelt aber auch zugleich die Verstrickungsbesteuerung im aufnehmenden Staat, wonach grundsätzlich der Wertansatz eines Staats, der die Entstrickungsbesteuerung anwendet, im anderen Staat anerkannt werden soll (Wertverknüpfung), allerdings nur, sofern der Wertansatz des Wegzugsstaats dem Marktwert entspricht. Ansonsten hat der aufnehmende Staat das Wirtschaftsgut mit dem Marktwert anzusetzen. Vor diesem Hintergrund hat § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG i. d. F. des ATAD UmsG folgende Vorgaben: "[…] unterliegt der Steuerpflichtige in einem anderen Staat einer Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates, ist das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch ...

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