7.14.1 Steuerliche Behandlung von Renten nach dem DBA-Türkei 2011/2012

Das neue Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Türkei vom 19.9.2011 ist zwar erst am 1.8.2012 in Kraft getreten, aber bereits rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2011 anzuwenden. Gegenüber dem vorhergehenden DBA hat sich insbesondere die abkommensrechtliche Behandlung von Alterseinkünften grundlegend geändert.

Hinsichtlich Renten aus der Türkei an Steuerinländer/Renten aus Deutschland an türkische Steuerausländer sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

a) Renten im öffentlichen Dienst

Für Ruhegehälter aus einer früheren Tätigkeit im öffentlichen Dienst einer der beiden Vertragsstaaten ist Art. 19 DBA-Türkei maßgebend. Je nach Staatsangehörigkeit der betreffenden Person ergibt sich in der Folge ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Kassenstaats (für Angehörige des Kassenstaats) oder des Ansässigkeitsstaats (in den Ortskräftefällen).

b) Renten bei einer früheren Tätigkeit für private Arbeitgeber:

Das Besteuerungsrecht für derartige Einkünfte steht gemäß Art. 18 Abs. 1 DBA-Türkei im Grundsatz dem Ansässigkeitsstaat zu. Allerdings erhält nach Art. 18 Abs. 2 DBA-Türkei der Quellenstaat ebenfalls ein auf 10 % der Brutto-Renteneinnahmen beschränktes Besteuerungsrecht, soweit der Brutto-Rentenbetrag (für alle Renten aus diesem Staat) einen Betrag i. H. von 10.000 EUR übersteigt. Soweit Deutschland der Ansässigkeitsstaat ist, wird die Doppelbesteuerung der diesen Betrag übersteigenden Renteneinnahmen nach Art. 22 Abs. 2 Buchst. a und d DBA-Türkei durch eine Steuerfreistellung vermieden. Vereinfacht ausgedrückt darf der Ansässigkeitsstaat alle Renteneinnahmen bis 10.000 EUR besteuern, während der Quellenstaat den übersteigenden Betrag besteuert. Da die Besteuerung in Deutschland aber je nach Rentenart (Betriebsrenten oder Sozialversicherungsrenten) in verschiedenen Systemen (Lohnsteuer oder Veranlagung) erfolgt, ergeben sich komplexe Anwendungsfragen.

Das BMF[1] hat hierzu ein umfassendes Anwendungsschreiben herausgegeben, wobei die Praxisfragen anhand von detaillierten Beispielen erläutert werden. Zu unterscheiden sind hierbei insbesondere die beiden Fallgruppen:

  • Unbeschränkt Steuerpflichtige mit Alterseinkünften aus der Türkei
  • Beschränkt Steuerpflichtige mit Alterseinkünften aus Deutschland

die nachfolgend im Detail erläutert werden.

7.14.2 Unbeschränkt Steuerpflichtige mit Alterseinkünften aus der Türkei

Soweit eine Person in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und daneben auch ansässig i. S. des Art. 4 DBA-Türkei ist, darf Deutschland als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 18 Abs. 1 DBA-Türkei alle Renteneinnahmen bis zu einem Betrag von 10.000 EUR besteuern. Zu beachten ist hier allerdings, dass die aus den Renteneinnahmen resultierenden Renteneinkünfte nach dem EStG aufgrund des Rentenfreibetrags, des Versorgungsfreibetrags häufig niedriger als 10.000 EUR sind. Die Renteneinnahmen, die den Betrag von 10.000 EUR übersteigen, können gemäß Art. 18 Abs. 2 DBA-Türkei im Quellenstaat Türkei besteuert werden und sind in Deutschland unter Beachtung des Progressionsvorbehalts von der Besteuerung auszunehmen.[1]

 
Praxis-Beispiel

10.000 EUR-Grenze[2]

A scheidet zum 31.12.01 aus seinem aktiven Berufsverhältnis in der Türkei aus und erhält ab dem 1.1.02, dem 65. Geburtstag, eine jährliche Rente i. H. von 25.000 EUR aus der türkischen gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine weitere aus der Türkei stammende private Leibrente i. H. von 10.000 EUR pro Jahr. Darüber hinaus erhält er von seinem früheren türkischen Arbeitgeber eine jährliche Betriebsrente i. H. von 15.000 EUR brutto. Zum 1.1.03 zieht er nach Deutschland und ist ab diesem Zeitpunkt im Inland ansässig im Sinne des DBA-Türkei.

Lösung:

Vom gesamten Bruttobetrag i. H. von 50.000 EUR sind maximal 10.000 EUR (1/5) in die inländische Besteuerung einzubeziehen. Der übersteigende Betrag von 40.000 EUR (4/5) ist für die Berechnung der in den Progressionsvorbehalt einzubeziehenden Einkünfte maßgebend. Die Ermittlung der einzelnen Einkunftsteile kann folgendermaßen dargestellt werden:

 
Steuerpflichtiger Teil (1/5)   Progressionsvorbehalt (4/5)
5.000 EUR Gesetzliche Rente 20.000 EUR
  § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a  
  Doppelbuchst. aa EStG  
  Rentenbeginn: 1.1.03  
3.300 EUR Besteuerungsanteil: 66 %[3] 13.200 EUR
2.000 EUR Private Leibrente 8.000 EUR
  § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a  
  Doppelbuchst. bb EStG  
  Rentenbeginn: 1.1.02  
360 EUR Ertragsanteil: 18 %47 1.440 EUR
3.000 EUR Betriebsrente 12.000 EUR
  § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG  
  Rentenbeginn: 1.1.02  
  Versorgungsfreibetrag  
408 EUR 15.000 EUR × 27,2 % (max. 2.040 EUR) 1.632 EUR
123 EUR Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag 489 EUR
2.469 EUR Verbleibende Betriebsrente 9.879 EUR
  Werbungskostenpauschbeträge  
102 EUR § 9a Nr. 1 Buchst. b EStG -
102 EUR § 9a Nr. 3 EStG -
5.925 EUR Anzusetzen 24.519 EUR
[2] Ein umfassendes, erläuterndes Beispiel findet sich auch in BMF, Schreiben v. 11.12.2014, BStBl 2015 I S. 92, Rz. 22.
[3] Beispielshaft, ändert sich je nach E...

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