OFD Hannover, 28.5.2004, S 7340 - 152 - StH 442/S 7340 - 68 - StO 352

 

1. Allgemeines

 

1.1 Anwendung der Insolvenzordnung

Am 1.1.1999 trat die InsO in Kraft, Art. 110 EGInsO. Sie löst die zuvor geltenden Vorschriften über Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren ab.

Auf Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren, die vor dem 1.1.1999 beantragt worden sind, und deren Wirkungen sind weiter die zuvor geltenden gesetzlichen Vorschriften (Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsordnung) anzuwenden (Art. 103 Satz 1 EGInsO). Gleiches gilt für Anschlusskonkursverfahren, bei denen der dem Verfahren vorausgehende Vergleichsantrag vor dem 1.1.1999 gestellt worden ist (Art. 103 Satz 2 EGInsO).

Die Entstehung der Steueransprüche wird durch die Vorschriften des Insolvenzrechts nicht beeinflusst, vgl. BFH-Urteil vom 16.7.1987, V R 80/82, BStBl 1987 II S. 691). Hierfür bleiben die steuerrechtlichen Bestimmungen weiterhin maßgebend. Auch die Unternehmereigenschaft und die Steuerschuldnerschaft des Insolvenzschuldners bleiben unberührt. Die Geltendmachung der Umsatzsteueransprüche des Finanzamts richtet sich jedoch nach Insolvenzrecht.

 

1.2 Allgemeinveranwortlichkeit des Amtsprüfers

Für die Bearbeitung der Umsatzsteuer in Insolvenzfällen sind verschiedene Arbeitsbereiche zuständig. Eine ordnungsgemäße Abwicklung der Fälle erfordert die Zusammenarbeit dieser Arbeitsbereiche und einen umfassenden Informationsaustausch.

Ab Bekanntwerden der Antragstellung über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bis zu dessen Beendigung ist der Amtsprüfer für alle umsatzsteuerlichen Belange verantwortlich. Er hat die zutreffende umsatzsteuerliche Bearbeitung des gesamten Insolvenzfalles zu gewährleisten; das gilt auch dann, wenn ein Verfahren mangels Masse nicht eröffnet werden sollte.

Der Amtsprüfer hat insbesondere zu gewährleisten, dass die Umsatzsteuern für alle betroffenen Zeiträume rechtzeitig und in der richtigen Höhe festgesetzt werden. Dies gilt auch für die Bearbeitung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen bzw. die Festsetzung von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen; insoweit ist eine intensive Zusammenarbeit mit der Anmeldesteuerstelle/UVSt erforderlich, die ggf. auf Anweisung des Amtsprüfers tätig wird.

 

2. Maßnahmen nach Bekanntwerden des Antrags auf Eröffnung, aber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

2.1 Offene Steuerfestsetzungen

Wird bekannt, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Unternehmers gestellt worden ist, teilt die Vollstreckungsstelle dies den betroffenen Arbeitsbereichen des Finanzamts mit. Unbearbeitete Umsatzsteuererklärungen und/oder Umsatzsteuer-Voranmeldungen sind vom zuständigen Amtsprüfer bzw. der Anmeldesteuerstelle/UVSt sofort zu bearbeiten. Erforderliche Umsatzsteuerfestsetzungen sollten möglichst vor Eröffnung des Verfahrens wirksam werden (sog. titulierte Forderungen), um die spätere Weiterverfolgung von Widersprüchen (bestrittene Forderungen, § 179 Abs. 2 InsO) zu erleichtern.

 

2.2 Vorsteuerabzug

Wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, ist zu vermuten, dass der davon betroffene Unternehmer seinen Verbindlichkeiten nicht mehr ordnungsgemäß nachkommen kann. Liegen Umsatzsteuererklärungen bzw. Umsatzsteuer-Voranmeldungen vor, hat der zuständige Amtsprüfer bzw. die Anmeldesteuerstelle/UVSt deshalb die darin geltend gemachten Vorsteuern besonders kritisch zu überprüfen. Ist davon auszugehen, dass die den Vorsteuern zugrunde liegenden Eingangsrechnungen nicht mehr bezahlt werden, kommt ein Vorsteuerabzug insoweit nicht mehr in Betracht, analoge – vorgezogene – Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.

Der Amtsprüfer hat außerdem zu ermitteln, in welcher Höhe sich Vorsteuerrückforderungsansprüche des Finanzamts nach § 17 UStG (vgl. Tz. 5.3.1) für zurückliegende Zeiträume ergeben und ggf. die Anmeldesteuerstelle/UVSt unter Angabe des Rückforderungsbetrags anzuweisen, diesen für den Voranmeldungszeitraum (VAZ) festzusetzen, in dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist. Aufwändige Ermittlungen, insbesondere Nachschauen oder Umsatzsteuer-Sonderprüfungen sind zur Ermittlung der Vorsteuerrückforderungen nur in Ausnahmefällen zulässig. Wirkt der Steuerpflichtige oder der ggf. eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter nicht mit, sind die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen (siehe Tz. 5.3.1).

 

2.3 Verwertung von Sicherungsgut

Soweit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Verwertung von Sicherungsgut erfolgte, die nach den Grundsätzen in Abschnitt 2 Abs. 1 UStR 2000 zu einem Doppelumsatz führt, ist zu prüfen, ob die sich daraus ergebende Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger angemeldet worden ist (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG).

 

2.4 Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vor Verfahrenseröffnung

Hat das Insolvenzgericht vor Eröffnung des Verfahrens zur Sicherung der Masse einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, gilt Folgendes:

 

2.4.1 Qualifizierter vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinem Verfügungsverbot

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