Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob in einem Reihen-Liefergeschäft die Warenbewegung auch einer anderen als der ersten Lieferung zugeordnet werden kann, wenn der Liefergegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt. Fraglich war also, ob der Beginn der Beförderung oder Versendung im Sinne von Artikel 8 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie auch für die sog. ruhenden Lieferungen maßgeblich ist oder Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie.

Die Klägerin bezog in den Jahren 1996 und 1997 Buntmetalle von einer österreichischen K-GmbH. Diese hatte die Metalle ihrerseits von mehreren Unternehmern (Vorlieferanten) in den Niederlanden und Italien erworben. Die Waren gelangten unmittelbar von den Vorlieferanten an die Klägerin. Die K-GmbH wies für ihre Lieferung in der Rechnung gegenüber der Klägerin 20 % österreichische Umsatzsteuer aus. Das Finanzamt verweigerte der Klägerin den Vorsteuerabzug, da die K-GmbH die Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen habe. Die Klägerin war der Auffassung, die Verantwortung für die Versendung der Ware nach Österreich habe bei der K-GmbH gelegen. Diese hätte den Transportauftrag erteilt (was unstreitig war), das Risiko bis zur Abnahme der Ware getragen und die Möglichkeit gehabt, den Bestimmungsort und den Empfänger zu ändern. Die Vorlieferanten seien der Klägerin unbekannt gewesen. Es habe demzufolge eine in Österreich steuerbare Inlandslieferung der K-GmbH an die Klägerin stattgefunden. Das Finanzamt war der Ansicht, dass die K-GmbH die Waren zunächst bei den Vorlieferanten bezahlt habe, die ihr die Waren in den Niederlanden oder in Italien zur Verfügung gestellt hätten. Als zweiten Schritt habe die K-GmbH Spediteure mit dem Transport der Waren von Italien oder den Niederlanden nach Österreich beauftragt, wo die Waren der Klägerin oder in deren Auftrag ihren Kunden ausgehändigt worden seien. Den Transport der Waren habe die K-GmbH zum Zweck der Erfüllung ihrer Lieferverpflichtung gegenüber der Klägerin selbst durchgeführt. Das Finanzamt war also der Auffassung, die Klägerin sei Empfängerin einer innergemeinschaftlichen Lieferung der K-GmbH gewesen.

 

Entscheidung

Der EuGH hat sinngemäß entschieden, dass Artikel 8 Abs. 1 Buchst. a und b i.V.m. Artikel 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-Richtlinie so auszulegen sind, dass bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft mit 3 Beteiligten, bei dem der Liefergegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer zum letzten Abnehmer gelangt und die Ware dabei von einem Mitgliedstaat in einen anderen gelangt, die Beförderung oder Versendung der Ware nur einer dieser Lieferungen zugeordnet werden kann. Nur diese Lieferung kann dann Gegenstand der Steuerbefreiung nach Artikel 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-Richtlinie sein. Dies gilt unabhängig davon, welcher der Beteiligten die Verfügungsmacht über die Ware im Zeitpunkt der Beförderung oder Versendung besitzt. Weiter hat der EuGH entschieden, dass nur der Ort der innergemeinschaftlichen Lieferung, also der Lieferung, der die Beförderung oder Versendung in den anderen Mitgliedstaat zuzuordnen ist, sich nach Artikel 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie bestimmt. Der Ort der anderen (ruhenden) Lieferung bestimmt sich nach Artikel 8 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie.

Nicht entschieden hat der EuGH (danach war er auch nicht gefragt worden), welcher der Lieferungen in dem Reihengeschäft der Warentransport unter den gegebenen Umständen zuzuordnen war. Dies dürfte in der Praxis von den Vertragsverhältnissen und den Einzelfallumständen abhängen, in wessen Interesse der zweite Lieferer handelt, ob eher für den ersten Lieferer oder für den letzten Abnehmer. Es kommt - so der EuGH - jedoch nicht darauf an, wer die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand während des Transports besitzt.

 

Hinweis

Die EuGH-Entscheidung bestätigt die gesetzliche Regelung in § 3 Abs. 6 UStG. Änderungsbedarf für bestehende Verwaltungsregelungen ist nicht unmittelbar ersichtlich. Nach Abschnitt 31a Abs. 7 UStR gilt für die Zuordnung des Warentransports zu einer der Lieferungen folgendes:

  • Die Zuordnungsentscheidung muss einheitlich für alle Beteiligten getroffen werden;
  • Aus den vorhandenen Belegen muss sich ergeben, wer Versendung durchgeführt oder veranlasst hat;
  • Bei Versendung ist auf die Auftragserteilung an den selbständigen Beauftragten abzustellen;
  • Sollte sich aus den Geschäftsunterlagen nichts anderes ergeben, ist auf die Frachtzahlerkonditionen abzustellen.

Die Verwaltung stellt also im Prinzip auf die Bezahlung des Spediteurs ab. Dies muss jedoch nicht immer den tatsächlichen Verhältnissen in der Praxis entsprechen. Z.B. könnte auch danach gefragt werden, ob die Auftragserteilung für den Transport nicht eher dem Unternehmer zugeordnet werden sollte, der den Transport steuert, d.h. z.B. die benötigte Ware abruft. Auftragserteilung könnte also auch heißen, dass der Transport dem Unternehmen zuzuordnen, der tatsächlich bestimmt, welche Güter zu welchem Zeitpunkt zu liefern sind.

 

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