Leitsatz

1. Die Art. 28a Abs. 3 Unterabs. 1 und 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL sind im Hinblick auf den in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Begriff "versendet"/"versandt" dahin auszulegen, dass der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands erst dann bewirkt ist und die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung erst dann anwendbar wird, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist und der Lieferant nachweist, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat.

2. Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt sind, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt.

3. Wenn der Erwerber bei den Finanzbehörden des Bestimmungsmitgliedstaats eine Erklärung wie die im Ausgangsverfahren über den innergemeinschaftlichen Erwerb abgibt, kann dies einen zusätzlichen Beweis dafür darstellen, dass die Gegenstände tatsächlich den Liefermitgliedstaat verlassen haben, ist jedoch kein für die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer maßgeblicher Beweis.

 

Normenkette

Art. 28a Abs. 3 Unterabs. 1, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL (vgl. § 6a UStG, § 17a und 17c UStDV)

 

Sachverhalt

Teleos u. A. verkauften im Jahr 2002 Mobiltelefone an eine spanische Gesellschaft, "ab Werk", d.h. hier Abholung im Lager einer Zolllagerungs- und Vertriebsgesellschaft. Teleos erhielt gestempelte und unterschriebene Originale des CMR-Frachtbriefs, in dem die Gegenstände beschrieben wurden und die Lieferadresse sowie der Name des Fahrers und das Kennzeichen des Fahrzeugs angegeben waren. Dies galt als Nachweis dafür, dass die Mobiltelefone ihren Bestimmungsort erreicht hatten.

Die englische Finanzverwaltung – so der EuGH – hatte dies zunächst "akzeptiert", bei späteren Kontrollen jedoch festgestellt, dass die Angaben in verschiedener Hinsicht unzutreffend waren. Finanzverwaltung und FG gingen davon aus, dass Teleos davon nichts wusste und dies nicht erkennen konnte.

 

Entscheidung

Die wesentlichen Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Zollrechtlich schuldet zwar auch der gutgläubige Einführer den Zoll. Die zollrechtliche Regelung lasse sich auf die Mehrwertsteuer jedoch nicht übertragen. Die Wirtschaftsteilnehmer dürften nicht schlechter gestellt werden, als vor der Abschaffung der Kontrollen an den Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten. Die entsprechende Erklärung des Abnehmers könne zwar ein Nachweis dafür sein, dass die Gegenstände tatsächlich den Liefermitgliedstaat verlassen haben. Sie sei jedoch kein für die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer hinreichender Beweis.

 

Hinweis

1. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb eines Gegenstands ist erst dann bewirkt und – korrespondierend die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung – erst dann anwendbar, wenn das Recht wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist und der Lieferant nachweist, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat.

Es reicht nicht aus, dass der Lieferer dem Erwerber die Gegenstände gem. der Klausel "ab Werk" – wonach der Erwerber dafür verantwortlich ist, dass die Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat transportiert wird –, zur Verfügung stellt und aus Belegen die Absicht der Parteien hervorgeht, dass die Gegenstände anschließend an einen Bestimmungsort in einem anderen Mitgliedstaat transportiert werden sollten, wenn die Gegenstände aber den Liefermitgliedstaat physisch noch nicht verlassen haben. Die Voraussetzung eines Grenzübertritts zwischen den Mitgliedstaaten ist Tatbestandsmerkmal eines innergemeinschaftlichen Umsatzes und unterscheidet ihn von Inlandsumsätzen. Das ist ein wesentlicher Kern der Entscheidung des EuGH.

Die Finanzbehörden der Mitgliedstaaten müssen und dürfen daher in erster Linie anhand der von den Steuerpflichtigen vorgelegten Beweise und abgegebenen Erklärungen prüfen, ob der Gegenstand den Mitgliedstaat tatsächlich physisch verlassen hat.

2. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen für die Befr...

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