Mit der Begründung weiterer Wohnsitze im Ausland geht die Begründung weiterer unbeschränkter Steuerpflichten einher, wodurch das Risiko einer Doppelbesteuerung besteht. Mit Staaten, mit denen ein DBA besteht, entscheidet die Anwendung der sog. Tie-Breaker-Rule[1] darüber, in welchem Staat der Steuerpflichtige für die Anwendung des DBA als ansässig gilt. Nach nationalem Recht ist der Steuerpflichtige aber gleichwohl weiterhin wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger zu behandeln, da auch weiterhin die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht erfüllt sind.

Wird die Influencer-Tätigkeit über eine deutsche Kapitalgesellschaft ausgeübt, kann es sowohl zur Aufdeckung der stillen Reserven auf Ebene der Gesellschaft als auch zur Aufdeckung der in den stillen Reserven enthaltenen Anteile kommen.

Aufdeckung stiller Reserven in den Anteilen

In Bezug auf die Anteile ist zu beachten, dass die sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG bislang (und auch bis zum 31.12.2021) nicht erst durch die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes, sondern bereits durch die Begründung eines weiteren Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ausgelöst wurde. Dies wurde mit der Umsetzung der ATAD I und II durch das ATAD-Umsetzungsgesetz erfreulicherweise entschärft. Die nationale Umsetzung erfolgte durch das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG).[2] Das ATADUmsG wurde am 30.6.2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 1.7.2021 in Kraft. Da die enthaltenen Neuerungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Anwendung finden, soll nachfolgend sowohl auf die bisherige als auch auf die neue Rechtslage Bezug genommen werden.

Der Wegzugsbesteuerung unterlagen bislang und noch bis zum 31.12.2021 natürliche Personen mit Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften i. S. d. § 17 EStG bei Wegzug ins Ausland nach mindestens 10Jahren der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland (Grundtatbestand)[3] und unabhängig davon, ob der Wegzug in einen DBA- oder einen Nicht-DBA-Staat erfolgte. Dies hat die Rechtsfolge, dass die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven (final) "bevor sie im Gepäck des Anteilseigners die Grenze des deutschen Steuerhoheitsgebiets verlassen" ohne tatsächliche Veräußerung mit der gleichen Konsequenz[4] der Besteuerung unterworfen wurden, als wären sie im Wegzugszeitpunkt veräußert worden. Insbesondere bei hohen stillen Reserven kann die fiktive Auslösung eines Veräußerungstatbestands ohne entsprechenden Liquiditätszufluss erhebliche Belastungen auslösen, die letztlich einen Wegzug wirtschaftlich verhindern oder zumindest erschweren können. Dies steht der unionsrechtlich gebotenen Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) entgegen.[5]

Eine Besonderheit besteht in Bezug auf Wegzüge in die Schweiz. Die Schweiz ist zwar weder Mitglied der EU noch des EWR, jedoch können sich Steuerpflichtige auf das zwischen der EG bzw. EU und der Schweiz im Jahr 2000 abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen berufen.[6]

Zur Vermeidung einer nicht rechtfertigbaren Verletzung der Niederlassungsfreiheit erkennt der EuGH eine zeitlich unbegrenzte Stundungsmöglichkeit ohne Sicherheitshinterlegung und ohne Verzinsung an, wie sie bislang in § 6 Abs. 5 AStG für Wegzüge in EU-/EWR-Zuzugstaaten vorgesehen war. Die Stundung nach § 6 Abs. 5 AStG a. F. ist in ihrer Rechtsfolge zwingend von Amts wegen vorzunehmen.

Für Wegzüge in Zuzugsstaaten außerhalb des EU/EWR-Raums wird gemäß § 6 Abs. 4 AStG a. F. auf Antrag eine auf 5 Jahre befristete Stundung und Zahlung in 5 regelmäßigen Teilbeträgen gegen Sicherheitsleistung und Verzinsung (6 % p. a.) nur bei "erheblichen Härten" gewährt. Daneben entfällt der Besteuerungsanspruch,

  • wenn die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht lediglich auf einer vorübergehenden Abwesenheit beruhte und
  • der Steuerpflichtige nachweislich innerhalb eines 5-Jahreszeitraums ab Wegzug wieder zur unbeschränkten Steuerpflicht zurückzukehren beabsichtigte,
  • sofern zwischenzeitlich keine Veräußerung erfolgte oder ein anderer Ersatztatbestand verwirklicht wurde.

Die Fünfjahresfrist konnte auf 10 Jahre verlängert werden, wenn die Abwesenheit aus beruflichen Gründen beruhte und weiterhin eine Rückkehrabsicht bestand.

 
Wichtig

Dokumentation des Rückkehrwillens und Meldepflichten

Der Wille zur Rückkehr und Wiederbegründung einer unbeschränkten Steuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 1 EStG innerhalb eines Zeitraums von längsten 5 bzw. 10 Jahren muss bereits im Zeitpunkt der Wegzugs bestehen.[7] Auf abgebrochene Auswanderungen oder missglückte Wegzüge ist § 6 Abs. 3 AStG a. F. demnach nicht anwendbar. Rückwirkende Heilungen sind daher – vorbehaltlich des anhängigen Revisionsverfahrens – nicht mehr möglich. Die Frage ist im Schrifttum umstritten[8] und der Ausgang des Verfahrens vor dem BFH weitgehend offen. Bis zur Klärung ist auf eine hinreichende Glaubhaftmachung bei Wegzug zu achten.

Von ebenso zentraler Bedeutung sind die Meldepflichten,[9] deren Verletzung zum Widerruf der Stundung nach § 6 Abs. 5 AStG...

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