7.3.1 Schnittstelle zum Kunden konsequent digitalisieren!

Die auch schon vor der Krise bestehende digitale Transformation umfasst nicht nur die unternehmensinterne Perspektive in Form von cyberphysischen Geräten in der Produktion, sondern auch die Digitalisierung der Schnittstelle zum Kunden. Diese ist ein elementarer Hebel zur Etablierung erfolgreicher Geschäftsmodelle. Erreicht wird diese bspw. durch die Einführung eines Head of Customer Centricity sowie spezieller KPIs wie dem Net Promoter Score. Wer die Kundenschnittstelle besitzt, verfügt über entsprechende persönliche Daten, kann Bedarfe mittels Business Analytics erkennen und wecken sowie die Kundenbindung und -loyalität für Cross- und Upselling-Aktivitäten nutzen.[1] Jedoch muss das Management beachten, dass auch von anderen Wettbewerbern bzw. von vor- und nachgelagerten Marktteilnehmern auf die Kundenbindung Anspruch erhoben wird. So bieten etwa Automobilhersteller und Telekommunikationsanbieter Leistungen bzw. Produkte mit integrierten Versicherungslösungen an, sodass der Endkunde den Versicherer nicht mehr wahrnimmt.

Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten dabei, Innovationen, die das Geschäftsmodell betreffen, zu entwickeln und umzusetzen. Trotz Maßnahmen wie der Etablierung von Digital Labs bleiben Innovationslücken bestehen, die von agilen Marktteilnehmern genutzt werden, um Kundenschnittstellen zu besetzen. Die Ursachen dafür sind tief im Unternehmen verankert:

  • Fokussierung auf Produktinnovation und fehlende Outside-in-Orientierung,
  • langsame und langwierige Entwicklungszyklen und Taktfrequenzen,
  • starrer, linearer Innovationsentwicklungsprozess,
  • mangelhafte Koordination, Organisation, Kooperation und Silodenken,
  • Fehlervermeidungskultur und Risikoaversion als Teil der Unternehmensmentalität.

Trotz fortschreitender digitaler Transformation droht der Kundenzugang an oft branchenfremde konkurrierende Unternehmen mit hoher digitaler Gestaltungskompetenz verloren zu gehen. Das Controlling muss die Innovationsentwicklung entlang der Customer Journey begleiten, d. h. neben der (technologischen) Machbarkeit und der (wirtschaftlichen) Tragfähigkeit, muss er die Akzeptanz bei den Kunden in seine Auswertung aufnehmen.

Eine Studie von Bhatia et al. zeigt, dass der Kampf um die Kundenschnittstelle heute zu einem der wesentlichen Themen für die strategische Ausrichtung von Unternehmen zählt. Unternehmen gaben an, dass sie dies durch eine kundenorientierte App erreichen möchten.[2] Eine Möglichkeit, die Schnittstelle direkt zu bedienen, ist die Adaption neuer Bezahlfunktionen, wodurch der Anbieter direkte Kenntnisse vom Kaufverhalten seiner Nutzer hat. Unbare Zahlungsmittel waren auch schon vor der Krise im Trend, haben jetzt jedoch zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Besonders relevant sind dabei kartengestützte Zahlverfahren – entweder direkt mit der Debit- oder Kreditkarte am physischen Point of Sale oder mit einer virtuellen Karte, über die unbare Zahlungsmethoden im Hintergrund abgewickelt werden. Dies ist bei zahlreichen Anwendungen im mobilen Bezahlen und bei Internetbezahlverfahren üblich. Treiber für diesen Trend sind Preis, Sicherheitsniveau, Verfügbarkeit und Verbreitung von Enabler-Technologien, die Regulatorik sowie Verbraucherwünsche.

Das Controlling muss hingegen bei allen Lösungen die Wirtschaftlichkeit betrachten. Dabei muss es bestehende Konzepte der digitalen Transformation neu bewerten und repriorisieren. Hierzu können Szenario-Analysen sowie Machbarkeitsstudien für die Umsetzung digitaler Kundenschnittstellen herangezogen werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass die notwendige Kompetenz der Anwendung neuer Bezahlsysteme langfristig im Unternehmen Bestand hat, darüber hinaus sollten aber auch die Analyse der gewonnenen Daten sinnvoll für strategische Entscheidungen genutzt werden.

[1] Seiter, 2019.
[2] Close et al., 2020.

7.3.2 Regionalisierung der Globalisierung beiordnen!

Die COVID-19-Krise hat die Nachteile einer globalisierten Wirtschaft mit komplexen Lieferketten aufgezeigt. Bereits vor der Krise haben viele Unternehmen diesem Trend mittels De-Globalisierung entgegenwirkt, da sie bereits durch den Brexit mögliche Liefer- und Produktionsrisiken wahrgenommen haben. Jedoch funktioniert die Umstellung von einer globalen zu einer regionalen bzw. nationalen Lieferkette nicht kurzfristig. Unternehmen sollten darüber nachdenken, die Produktion näher als bisher an den Absatzmarkt zu bringen und so Lieferwege zu verkürzen. Damit werden flexible Transportwege ermöglicht, die Reaktionsfähigkeit wird erhöht und anfallende Zollkontrollen bzw. -zahlungen werden umgangen.

Durch eine Krise kann demzufolge die Lieferkette unterbrochen werden. Neben einer absatzmarktnahen Produktion ist es deswegen durchaus sinnvoll, sich für strategische Komponenten und kritische Materialien einen zweiten Produzenten bzw. Lieferanten zu suchen. Diese Entscheidung kann bspw. auf Grundlage einer Datenanalyse getroffen werden. Möglich ist z. B. ein digitales Echtzeit-Tracking von Lieferungen und deren Visualisierung über Dashboards, wodurch potenzielle Risiken vorab identifiziert wer...

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