7.3.1 Unterschiedliche Regeln für Leasinggeber und Leasingnehmer

Seit Verabschiedung von IFRS 16 gelten für die Bilanzierung beim Leasingnehmer andere Regeln als beim Leasinggeber.

Der Leasinggeber hat (wie schon nach dem Vorgängerstandard IAS 17) dem Prinzip des substance over form folgend zu beurteilen, ob er neben dem rechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum am Leasingobjekt behält (operating lease) oder das wirtschaftliche Eigentum aufgegeben hat (finance lease). Im ersten Fall hat er das Leasingobjekt als Anlagevermögen zu bilanzieren und die Leasingraten als Ertrag zu vereinnahmen. Im zweiten Fall hat er das Leasingobjekt auszubuchen und an seiner Stelle eine Forderung gegen den Leasingnehmer einzubuchen.

Für den Leasingnehmer galten die vorstehenden Regelungen früher spiegelbildlich. Mit Ersatz von IAS 17 durch IFRS 16 gilt hingegen (mit bestimmten Ausnahmen für kurzfristige Leasingverhältnisse und solche über Objekte geringen Werts): Der Leasingnehmer hat zum Beginn des Leasingverhältnisses das Recht zur Nutzung des Leasingobjekts (right-of-use asset) zu aktivieren und korrespondierend in Höhe des Barwerts der zukünftigen Leasingraten eine Verbindlichkeit einzubuchen.

Die Bilanzierung beim Leasinggeber folgt damit Unterscheidungen, die auch im HGB/EStG bekannt sind. Die Regeln des IFRS 16 für den Leasingnehmer vertragen sich hingegen nicht mit dem HGB, da sie den Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte aufgeben.

Der Begriff des Leasings ist weit gefasst. Er umfasst jede Art von Nutzungsverhältnis über einen körperlichen Gegenstand, unabhängig davon, ob der Vertrag zivilrechtlich als Leasing, Miete, Pacht, Nießbrauch usw. qualifiziert wird (IFRS 16.9).

Durch IFRS 16 hat sich der Umfang der Regelungen zum Leasing gegenüber dem vorherigen Rechtsstand (IAS 17, IFRIC 4; SIC–15, SIC–31) etwa vervierfacht auf rund 200 Seiten (inkl. Basis for Conclusions usw.). In der frühen Phase dieses Reformprojekts hatte der damalige Chairman des IASB festgehalten: "One of my great ambitions before I die is to fly in an aircraft that is on an airline’s balance sheet." Mit IFRS 16 scheint dieses Ziel (beinahe – bilanziert wird das Nutzungsrecht, nicht das Flugzeug) erreicht. Aber wem bringt die detaillierte und komplexere Leasingbilanzierung etwas? Können die Passagiere nun darauf hoffen, dass die Flugzeuge pünktlicher und sicherer fliegen? Werden Tomatensaft und Unterhaltungsprogramm an Bord bekömmlicher sein? Können Investoren in Aktien von Fluggesellschaften ihre Risiken besser steuern? Werden die Airlines in umkämpften Märkten erfolgreicher operieren? Egal wie die Antworten ausfallen, es gilt: wenn Institutionen Probleme und Situationen als real definieren, sind sie real – in ihren Konsequenzen. Wer also sein Brot in der Rechnungslegung verdient (oder verdienen möchte), mag über die Bedeutung der Bilanzierung für das wahre Leben denken, wie er will, er muss sich mit den rechtlichen Gegebenheiten auseinandersetzen.

7.3.2 Bilanzierung beim Leasinggeber: operating lease vs. finance lease

Die für den Leasinggeber geltenden Zurechnungskriterien in IFRS 16 weisen starke Parallelen zu den deutschen steuerrechtlichen (in der Regel auch in der Handelsbilanz befolgten) Regelungen auf. Aufgabe des Bilanzierenden ist es, den Leasingvertrag als operating lease mit Zurechnung des Leasingobjekts beim Leasingnehmer oder als finance lease mit Ausbuchung des Leasingobjekts zu qualifizieren (IFRS 16.61).

Ein finance lease, der zur Ausbuchung des Leasingobjekts beim Leasinggeber führt, liegt vor, wenn alle wesentlichen Chancen und Risiken auf den Leasingnehmer übergehen (IFRS 16.62). Dies ist in der Regel der Fall, wenn

  • der Leasinggegenstand spezialisierter Art ist und dem Grunde nach nur vom Leasingnehmer genutzt werden kann (IFRS 16.63(e)) oder
  • die Summe aus Grundmietzeit und günstiger, unter dem Marktpreis liegender Verlängerungsoption den größten Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Vermögenswerts ausmacht (IFRS 16.63(c)) oder
  • der Leasingvertrag eine günstige, unter dem Marktpreis liegende Kaufoption für den Leasingnehmer enthält (IFRS 16.63(b)) oder
  • der auf den Beginn des Leasingvertrags gerechnete Barwert der Leasingzahlungen den anfänglichen Zeitwert des Leasinggegenstands so gut wie erreicht oder gar übersteigt (IFRS 16.63(d)).
  • Bei Grund und Boden bestehen Besonderheiten. Insbesondere scheidet der Vergleich von Mietzeit und ökonomischer Lebensdauer in der Regel aus; bei sog. long-term leases, etwa einem Nutzungsvertrag über 100 Jahre, kann aber das Barwertkriterium bzw. der auf den Leasingbeginn diskontierte geringe Wert des Herausgabeanspruchs des rechtlichen Eigentümers zur Qualifizierung als finance lease führen.

Ein wesentlicher Unterschied zu den Steuererlassen ergibt sich daraus, dass die IFRS-Kriterien nicht quantifiziert werden. Die Aussage, dass die Laufzeit des Leasingverhältnisses den "überwiegenden Teil" der wirtschaftlichen Nutzungsdauer nicht überschreiten darf, wenn das Objekt beim Leasinggeber bleiben soll, lässt anders als die Aussage, dass "90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer" nicht überschritten werden dürfen, Interpret...

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