Rz. 303

Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht setzt dem Gesellschafter bei der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte Schranken:

  • Der Gesellschafter darf sein Stimmrecht nicht ausnutzen, um Beschlüsse herbeizuführen, die ihm einen Vorteil zulasten der GmbH oder der anderen Gesellschafter bringen.[1] Eine Verletzung der Treuepflicht liegt beispielsweise vor, wenn der Gesellschafter einer existentiell wichtigen Maßnahme die Zustimmung verweigert. Treuwidrig abgegebene Stimmen sind nichtig und unbeachtlich.
  • Ein Gesellschafter darf nicht solche Interessen anderer verbundener Unternehmen ("Konzernunternehmen") verfolgen, die den Interessen der GmbH zuwiderlaufen.[2]
  • Ein Gesellschafter darf die Gesellschaft gegenüber Dritten nicht diskreditieren.
  • Ein Gesellschafter muss bei der Kündigung oder Rückforderung eines Gesellschafterdarlehens auf die Belange der Gesellschaft Rücksicht nehmen, insbsondere auf eine Kündigung oder die Geltendmachung eines Zinsanspruches im Fall einer Liquiditätskrise verzichten.[3]
  • Ein Mehrheitsgesellschafter muss Beschlussvorschlägen der Minderheitsgesellschafter, wonach eine bestimmte Geschäftsführungsmaßnahme im Interesse der GmbH beschlossen werden und den Geschäftsführern eine entsprechende Weisung erteilt werden soll, aber nur dann zustimmen, wenn sie zur Erhaltung wesentlicher Werte oder zur Vermeidung erheblicher Verluste objektiv zwingend erforderlich sind und er seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert.[4]
  • Ein Mehrheitsgesellschafter verstößt gegen die ihm gegenüber den anderen Gesellschaftern obliegende Treuepflicht, wenn er die Auflösung der Gesellschaft beschließt, seinerseits aber schon eine Übertragung der Vermögensgegenstände der GmbH auf sich selbst im Zuge der Liquidation vorbereitet hat.[5]
  • Die Mehrheitsgesellschafter dürfen ohne umfassende Abwägung bei der Gewinnverwendung entgegen dem Ausschüttungsinteresse der Minderheit keine vollständige Thesaurierung beschließen.[6]
  • Ebenso verstößt ein Mehrheitsgesellschafter gegen seine Treuepflicht, wenn er einen Minderheitsgesellschafter aufgrund verhältnismäßig geringfügiger Vorfälle als Geschäftsführer abberuft und diesen hierdurch um seine Lebensgrundlage bringt.[7]
[1] Siehe dazu unten Rn. 528, 680 ff.
[2] BGHZ 65, S. 15, 19 f.
[4] BGH, Urteil v. 12.4.2016 II ZR 175/14, GmbHR 2016 S. 759. Danach gelten nicht nur für Satzungsänderungen, sondern auch für einfache Geschäftsführungsmaßnahmen äußerst hohe Anforderungen, um eine gerichtliche Korrektur zu erreichen – eine bloß falsche, aber gerade noch vertretbare Entscheidung ist demnach noch lange nicht treuwidrig.
[6] GmbHR 2009, S. 825; strenger OLG Nürnberg, Urteil v. 9.7.2008, 12 U 690/07; kritisch zum Ganzen Einhaus/Selter, GmbHR 2016, S. 1177.
[7] BGH, Beschluss v. 29.11.1993, II ZR 61/93.

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