Rz. 248

Die Gründungsformalitäten nehmen selbst bei höchstmöglicher Beschleunigung einige Zeit in Anspruch. Andererseits erfordern manche Geschäfte die sofortige Verfügbarkeit einer eigens dafür zur Verfügung stehenden, die handelnden Personen von der persönlichen Haftung abschirmenden juristischen Person. Dafür gibt es Vorratsgesellschaften, also Gesellschaften, die – meist von Rechtsanwälten, Notaren, Wirtschaftsprüfern oder spezialisierten gewerblichen Anbietern – auf Vorrat gegründet und dann bei Bedarf verkauft werden. Im Zuge des Verkaufs werden dann Firma[1] und Gegenstand, nach Bedarf auch der Sitz sowie sonstige Satzungsbestimmungen geändert. Zugleich wird das Interimsmanagement durch das vom Erwerber gewünschte Management ausgewechselt.

 

Rz. 249

Gegen die Zulässigkeit von Vorratsgesellschaften bestehen heute keine grundsätzlichen Bedenken mehr, zumindest wenn die Gründung offen als Vorratsgesellschaft ausgewiesen,[2] ihr wahrer Grund also nicht verheimlicht wird.[3]

 

Rz. 250

Spätestens seit zwei grundlegenden Entscheidungen des BGH aus den Jahren 2002 und 2003[4] ist aber zu beachten, dass das Ziel der Haftungsbeschränkung sich nur erreichen lässt, wenn einige an der Neugründung orientierte Spielregeln eingehalten werden. Denn wirtschaftlich ist die Veräußerung einer Vorratsgesellschaft einer Neugründung ähnlich. So müssen im Zeitpunkt der Verwendung zumindest die Mindesteinlagen[5] erbracht und – abzüglich der zulässigen Gründungskosten – noch vorhanden sein. Insgesamt muss das Vermögen der Gesellschaft (Aktiva abzüglich Fremdkapital) mindestens so hoch sein wie das Stammkapital. Es darf also keine sog. Unterbilanz vorliegen. In Höhe des – zulässigerweise – noch nicht eingezahlten Teils des Stammkapitals reicht die Deckung durch den Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter.[6] Stichtag ist der Tag, an dem die Verwendung – durch Änderung von Firma, Gegenstand, Geschäftsführer etc. – gegenüber dem Handelsregister offengelegt wird.[7] Erforderlich ist auch eine Versicherung der Geschäftsführung, wonach die geleisteten Einlagen weiterhin zu seiner freien Verfügung stehen. Darüber hinaus sind wohl auch die weiteren Eintragungsvoraussetzungen analog zu erfüllen; im Einzelnen ist dies aber noch nicht geklärt.[8]

[1] Typische Firmen für Vorratsgesellschaften setzen sich zusammen aus einem Fantasiewort und einem Zusatz wie "Dreiundzwanzigste Verwaltungs" plus Rechtsformbezeichnung.
[3] Die offene Vorratsgründung ist daran zu erkennen, dass der Gegenstand der Gesellschaft sich zunächst auf "die Verwaltung des eigenen Vermögens" beschränkt, nicht also irgendwelche Fantasie-Gegenstände wie "der Handel mit …" bezeichnet.
[5] Vgl. oben Rn. 262.
[7] Ohne eine solche Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung besteht das Risiko einer Unterbilanzhaftung der Gesellschafter, s. BGH, Urteil v. 6.3.2012, II ZR 56/10, NJW 2012 S. 1875, 1876; Merkt, in MüKo-GmbHG § 11 Rn. 186 ff.
[8] Vgl. Wicke, in MüKo-GmbHG, § 3 Rn. 30 ff; Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 3 Rn. 13 ff.; Schmidt, in Michalski, § 3 Rn. 116 f.

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