Leitsatz

Der in Abschn. 41 Abs. 1 Sätze 5 und 6 GewStR 1998 (nunmehr in R 7.1 Abs. 5 Sätze 3 und 4 GewStR 2009) für den gewerbesteuerrechtlichen Organkreis billigkeitsweise angeordnete Verzicht auf die Hinzurechnungen zum Gewinn aus Gewerbebetrieb nach Maßgabe von § 8 GewStG (1999) setzt voraus, dass die jeweilige Hinzurechnung zu einer doppelten ­gewerbesteuerlichen Belastung führt. Daran fehlt es  bei einer – aus Gründen der unionsrechtlichen Gleichbehandlung entgegen § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1999 i.V.m. § 14 Nrn. 1 bis 3 KStG 1999 als möglich unterstellten – Organschaft zwischen einer inländischen Muttergesellschaft und deren ausländischen (hier: belgischen) Tochtergesellschaft. Die bei der Muttergesellschaft nach § 8 Nr. 1 GewStG 1999 vorzunehmende Hinzurechnung von Zinsen, die diese für ein ihr gewährtes Darlehen an die Tochtergesellschaft gezahlt hat, verstößt deswegen nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Satz 2, § 8 Nr. 1 GewStG 1999, § 14 Nrn. 1 bis 3 KStG 1999, Art. 43 (= AEUV Art. 49) EG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Inc. mit satzungsmäßigem Sitz in den USA und tatsächlicher Geschäftsleitung in Deutschland. Sie war in den Streitjahren 1999 bis 2003 die Tochtergesellschaft einer weiteren US-amerikanischen Inc. und nahm die Tätigkeit der Holdinggesellschaft eines Teils der Firmengruppe wahr. Zwischen ihr und diversen inländischen Gesellschaften bestand jeweils ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. In den Streitjahren fungierte sie als körperschaftsteuerrechtliche Organträgerin der inländischen Gesellschaften des Firmenverbundes.

In den Jahren 1995 bis 1998 war sie zudem mehrheitlich an einer belgischen Kapitalgesellschaft, der S S.A., beteiligt. Im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen kam es zu konzerninternen Geldausleihungen, woraus zum 31.12.1999 Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der belgischen Tochtergesellschaft i.H.v. rd. 500 Mio. DM resultierten, die mit 5,5 % verzinst worden waren.

Das FA berücksichtigte im Rahmen der Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den jeweiligen 31.12. der Streitjahre erklärungsgemäß sog. Dauerschuldentgelte, die u.a. aus Zinsen resultierten, welche die Klägerin an die S S.A. geleistet hatte und die es den Gewinnen nach Maßgabe von § 8 Nr. 1 GewStG zu jeweils 50 % hinzurechnete. Die Klägerin begehrte nun die Anwendung der Regelung in Abschn. 41 Abs. 1 Satz 4 bis 6 GewStR 1998 und damit den Verzicht auf die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG. Dies sei geboten, weil ihr in unionsrechtswidrig beschränkender Weise die Möglichkeit genommen sei, mit der S S.A. als in Belgien ansässiges Unternehmen ein gewerbesteuerrechtliches Organschaftsverhältnis zu begründen, und zwar in den EZ 1999 und 2000 nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V.m. § 14 Nrn. 1 bis 3 KStG, im EZ 2001 nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 Satz 2 i.d.F. von § 36 Abs. 2 Satz 1 GewStG i.d.F. des UntStFG 20.12.2001, i.V.m. § 14 Nrn. 2 und 3 KStG. Die anschließende Klage blieb erfolglos (FG Köln, Urteil vom 11.4.2013, 13 K 1911/08, Haufe-Index 4739057, EFG 2013, 1422).

 

Entscheidung

Erfolglos blieb die Klage auch vor dem BFH. Selbst wenn man der Klägerin darin folgen wolle, dass sie sich mit einer virtuellen Organschaft vergleichen ließe, käme ein Verzicht auf die Hinzurechnung nicht in Betracht. Denn auch dann fehle es an einer möglichen Doppelerfassung der Dauerschuldzinsen, und das wiederum sei die Voraussetzung für den Verzicht.

 

Hinweis

Es geht um die Hinzurechnung sog. Dauerschuldentgelte nach § 8 Nr. 1 GewStG (a.F.). Ist eine solche Hinzurechnung bezogen auf eine Auslandsgesellschaft unionsrechtswidrig? Das Urteil verneint das und beendet eine langjährige Diskussion.

1. Durch Urteil vom 21.7.2011, C-397/09 (BStBl II 2012, 528, BFH/NV 2011, 1643) hatte (zunächst) der EuGH in Sachen Scheuten Solar Technology dazu auf Vorabentscheidungsersuchen des BFH (Beschluss vom 27.5.2009, I R 30/08, BFH/NV 2009, 2059, BFH/PR 2010, 11) und sodann der BFH in seinem dazu ergangenen Schlussurteil vom 7.12.2011, I R 30/08 (BStBl II 2012, 507, BFH/NV 2012, 656, BFH/PR 2012, 163) wie folgt entschieden:

Art. 1 Abs. 1 der Zins-/Lizenz-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Steuerrechts nicht entgegensteht, wonach die Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage für die GewSt hinzugerechnet werden, der das erstgenannte Unternehmen unterliegt.

2. Nun war aber bereits seinerzeit bedauert und bemängelt worden, der BFH habe das Problem nicht vollends ausgeschöpft und sich nur auf einen möglichen verstoß gegen unionsrechtliches Sekundärrecht ein- und einen Verstoß gegen unionsrechtliches Primärrecht durch Verletzung der Niederlassungsfreiheit außer Acht gelassen. Grund für diese Kritik war die innerstaatlich eröffnete Möglichkeit, ein Organschaftsver...

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