Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Fahrtkostenpauschale bei Fahrten zu Fortbildungsmaßnahmen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Fahrten zu Fortbildungsmaßnahmen, die freiwillig ohne Weisung des Arbeitgebers erfolgen, sind die tatsächlichen Kfz-Kosten zu berücksichtigen, auch wenn sich die Fortbildungsmaßnahme am Ort der Arbeitsstätte befindet.

2. Die Fahrtkostenpauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist nur anwendbar, wenn die Arbeitsstätte zum Zweck eines Arbeitseinsatzes angefahren wird.

3. Als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind nur diejenigen anzusehen, die zum Zwecke eines Arbeitseinsatzes unternommen werden.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Satz3 Nr. 4; LStR Abschn. 38 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1992

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.02.2003; Aktenzeichen VI R 30/02)

 

Tatbestand

Der Kläger erzielte im Streitjahr 1992 als Flugzeugführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Mit seiner Einkommensteuererklärung des Streitjahres machte er u.a. Aufwendungen für sog. Fortbildungsfahrten i.H.v. 1924,-- DM (37 Fahrten x 50 Km x 1,04 DM) als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Die Fortbildung erfolgte in Unterrichtsräumen der Basis der ........ ( Fluggesellschaft ) auf dem Flughafen X . Sie umfaßte u.a. Übungen der englischen Sprache sowie die Auffrischung der Kenntnisse über Schlechtwetterflüge und den Transport von gefährlichen Gütern in Flugzeugen. Die Fortbildungsveranstaltungen waren nicht dienstlich angeordnet, sondern wurden vom Kläger freiwillig und während seiner Freizeit durchgeführt.

Mit seinem Einkommensteuerbescheid 1992 vom 22.02.1994 berücksichtigte der Beklagte die Fahrtkosten nur in Höhe von 601,-- DM (37 Fahrten x 25 Km x 0,65 DM). Er vertrat die Auffassung, die Fahrten könnten nur mit den Pauschbeträgen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) berücksichtigt werden, da die Fortbildung an der regelmäßigen Arbeitsstätte des Klägers stattgefunden habe.

Den dagegen gerichteten Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 08.08.1995, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er vertritt im wesentlichen die Auffassung, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG sei nur anwendbar, wenn die regelmäßige Arbeitsstätte wegen eines Arbeitseinsatzes angefahren werde, nicht jedoch, wenn die Fahrt wegen einer freiwilligen Fortbildungsmaßnahme erfolge.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger klargestellt, daß der ursprünglich geltend gemachte Betrag auf einem Rechenfehler beruhe. Tatsächlich begehre er die Berücksichtigung von 0,52 DM pro Kilometer Fahrt zu Fortbildungszwecken (37 Fahrten x 50 Km x 0,52 DM = 962,-- DM).

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1992 vom 22.02.1994 und der Einspruchsentscheidung vom 08.08.1995 zusätzliche Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 361,-- DM zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Ansicht, für die Anwendung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG sei allein entscheidend, daß die Arbeitsstätte aus beruflichem Anlaß angefahren werde. Die Anwendung sei nicht von weiteren Voraussetzungen, etwa einer bestimmten Arbeitsleistung an der Arbeitsstätte, abhängig.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluß vom 05.01.1996 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Es lag 1 Band den Kläger betreffende Einkommensteuerakten vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Bei den Aufwendungen des Klägers für die Fahrten zu Fortbildungszwecken handelt es sich - das ist zwischen den Beteiligten unstreitig - dem Grunde nach um Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG.

Da der Kläger die Fahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug durchgeführt hat, kann er die tatsächlichen Kraftfahrzeugkosten oder - wie im Streitfall geschehen - den Kilometersatz des Abschnitts 38 Abs. 2 Lohnsteuerrichtlinien geltend machen, so daß vorliegend zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 361,-- DM zu berücksichtigen sind (37 Fahrten x 50 Km x 0,52 DM abzüglich bereits berücksichtigter 601,-- DM).

§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG, der als lex specialis die Anwendung der Grundnorm des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG ausschließt (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 02.10.1992 VI R 11/91, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1993,113), steht dem nicht entgegen.

Bei den Fahrten des Klägers handelt es sich nicht um Fahrten zwischen

Wohnung und Arbeitsstätte im Sinne dieser Vorschrift, so daß die Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG nicht eingreift.

Der Kläger hat seine Arbeitsstätte nicht aufgesucht, um seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nachzukommen. Die Fortbildungsmaßnahmen erfolgten vielmehr - wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat - freiwillig und ohne Weisung des Arbeitgebers.

§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG ist nur anwendbar, wenn die Arbeitsstätte zum Zweck...

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