rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Medizinischer Eingriff zur Empfängnisverhütung als umsatzsteuerpflichtige Leistung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Das Einsetzen einer Spirale zur Empfängnisverhütung ist kein medizinischer Eingriff, der zum Zwecke der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung oder Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen wird.
  2. Eingriffe zur Empfängnisverhütung fallen nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG.
 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 14; EWG-Richtlinie 77/388 Art. 13 Teil A Abs. c

 

Streitjahr(e)

2003

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Praxisgemeinschaft von Frauenärzten. In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr erklärte sie nur steuerfreie Umsätze.

Nach Durchführung einer die Vorjahre betreffende Betriebsprüfung forderte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Klägerin auf, eine berichtigte Umsatzsteuererklärung einzureichen, in der die durch Einsetzen von Spiralen zur Empfängnisverhütung erzielten Umsätze der Umsatzsteuer unterworfen würden.

Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, erließ das FA am 06.11.2005 den streitbefangenen Umsatzsteuerbescheid, mit dem es die Umsatzsteuer 2003 auf 1.672,44 € festsetzte. Hierbei berücksichtigte das FA unter Anlehnung an die für die Vorjahre getroffenen Feststellungen im Schätzungswege steuerpflichtige Bruttoumsätze von 30.000,- € und Vorsteuern aus dem Ankauf der Spiralen in Höhe von 2.465,48 €. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Einspruch eingelegt, mit dem sie geltend gemacht hat, auch das Einsetzen der Spiralen unterfalle der in § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes normierten Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen.

Das FA wies den Einspruch mit Entscheidung vom 03.04.2006 als unbegründet zurück. Wegen des weiteren Inhalts der Einspruchsentscheidung wird auf Bl. 27 ff. der Umsatzsteuerakte Bezug genommen.

Mit Klageschrift vom 08.05.2006 erhoben die Prozessbevollmächtigten Klage gegen die Einspruchsentscheidung wegen Umsatzsteuer 2003.

Nachdem die Prozessbevollmächtigten trotz mehrfacher Aufforderung ihrer Ankündigung, den Gegenstand des Klagebegehren zu bezeichnen, die ladungsfähige Anschrift der Klägerin mitzuteilen und die Klage zu begründen, nicht nachgekommen waren, setzte ihnen der Berichterstatter hiefür mit Verfügungen vom 09.08.2006 Ausschlussfristen bis zum Ablauf des 07.09.2006.

Nach erfolglosem Ablauf dieser Fristen übertrug der Senat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28.09.2006 dem Einzelrichter zur Entscheidung.

Die Steuerakten gingen bei Gericht am 07.11.2006 ein.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist trotz erfolglosen Ablaufs der Ausschlussfristen zulässig.

Da das Gericht durch die zwischenzeitlich erfolgte Übersendung der Steuerakten durch das FA in die Lage versetzt worden ist, der Einspruchsentscheidung das Klagebegehren und die ladungsfähige Anschrift der Klägerin zu entnehmen, bleibt die insoweit zweifellos vorliegende und grundsätzlich nicht zu tolerierende Verletzung der Mitwirkungspflichten der Klägerin durch deren Prozessbevollmächtigte im Streitfall ohne Auswirkung. Denn im Rahmen der Auslegung kann der Gegenstand des Klagebegehrens und auch die Adresse der Klägerin unter Rückgriff auf die Steuerakten festgestellt werden (BFH-Beschluss vom 17.11.2003 - XI B 213/01, BFH/NV 2004, 514 m. w. N.). Da die in der Klageschrift bezeichnete – dieser aber nicht beigefügte - Einspruchsentscheidung ausschließlich die Frage der Steuerpflicht der durch Einsetzen von Spiralen zur Empfängnisverhütung erzielten Umsätze zum Inhalt hat, geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin eine gerichtliche Entscheidung über diese Streitfrage begehrt.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

a) Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind unter anderem die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei.

b) § 4 Nr. 14 UStG ist richtlinienkonform auszulegen (z.B. Urteile des BFH vom 19.12.2002 - V R 28/00, BFHE 201, 330, BStBl II 2003, 532; vom 1.4.2004 - V R 54/98, BFH/NV 2004, 1199). Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer „die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden”. Der durch Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG gezogene gemeinschaftsrechtliche Rahmen und die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der bezeichneten Vorschrift durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sind deshalb bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung von § 4 Nr. 14 UStG zu beachten.

c) Eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin i. S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG setzt voraus, dass...

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