Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Schätzung bei unvollständigen Aufzeichnungen und fehlenden Programmunterlagen eines elektronischen Kassensystems

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Legt der Steuerpflichtige keine vollständigen Unterlagen vor, die eine vollständige Erfassung der Barumsätze gewährleisten sind die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.
  2. Bargeld intensive Betriebe, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln haben sämtliche Einnahmen geordnet und grundsätzlich täglich aufzuzeichnen.
  3. Werden die täglichen Einnahmen nur in einer Summe in einem Kassenbuch eingetragen muss das Zustandekommen dieser Summe durch Aufbewahrung der angefallenen Kassen streiten, Zettel und Bons über die Einnahmen und Ausgaben anhand eines Kassenberichts nachgewiesen werden.
  4. Erfolgt der Nachweis durch Aufbewahrung der sog. Tagesendsummenbons (Z.-Bons) müssen diese Z.-Bonns eine hinreichende Gewissheit über die Vollständigkeit der darin enthaltenen Einnahmen zulassen. Dies nur der Fall, wenn die sog. Organisationsunterlagen vorgelegt werden, aus denen die Berechnung der ausgedruckten Beträge nachvollziehbar ist.
  5. Bei Nutzung einer EDV-Registrierkasse sind nicht nur die Z.-Bonns, sondern auch alle Dokumentationsunterlagen über die Kasseneinstellungen, Bedienerprogrammierung, Artikel-und Warengruppeneinstellungen und vor allen auch Bedienerberichte aus der Abrechnung mit dem kassierberechtigten Personal vorzulegen. Fehlen diese Unterlagen, ist nicht gewährleistet, dass die erfassten Umsätze vollständig sind.
  6. Werden keine vollständigen Unterlagen vorgelegt, ist das Finanzamt unabhängig von einem Verschulden des Steuerpflichtigen zur Schätzung befugt.
  7. Weisen die Aufzeichnungen erhebliche Mängel auf, ist für eine Schätzung der Nachweis, dass die Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch materiell unrichtig oder unvollständig ist, nicht erforderlich.
 

Normenkette

AO §§ 162, 158

 

Streitjahr(e)

2008, 2009, 2010

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Hinzuschätzung von Einnahmen aus dem von der Antragstellerin betriebenen Asia-Restaurant.

Die mit X verheiratete Antragstellerin betrieb u.a. in den Jahren 2008 bis 2010 (Streitjahre) in Stadt A das Asia Restaurant R. Hieraus erklärte sie durch Einnahmen-Überschuss-Rechnungen ermittelte Einkünfte bzw. Gewinne aus Gewerbebetrieb i.H.v. 15.396 Euro (2008), 35.805 Euro (2009) bzw. 7.613 Euro (2010). Im Einzelnen wird zum Inhalt der Steuererklärungen und der Einnahmenüberschussrechnungen für die Streitjahre auf die Akten verwiesen.

Nachdem das Hauptzollamt in einem Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin und ihren Ehemann u.a. wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und der Hinterziehung von Lohnsteuer im Schlussbericht zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Antragstellerin in ihrem Restaurant im Zeitraum 01.02.2009 bis 30.06.2009 Herrn (D.) „schwarz”, d.h. ohne sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Anmeldungen als Koch beschäftigt hatte schwankende Rohgewinn- und Lohnanteilssätze festgestellt worden waren, ordnete der Antragsgegner am 19.08.2011 eine steuerliche Außenprüfung für 2008 bis 2010 an. Die Antragstellerin legte im Rahmen der sodann durchgeführten Außenprüfung Gewinnaufzeichnungen für 2007 bis 2009 sowie Belege für 2009 (darunter Tagesendsummenbons, die wöchentlich als Bareinnahmen erfasst worden waren) vor. Der Aufforderung, auch „Buchhaltungsdaten” für 2010 vorzulegen sowie das verwendete Kassensystem zu bezeichnen und hierfür die Bedienungsanleitung und die Programmierungsprotokolle vorzulegen, kam die Antragstellerin nicht nach. Die Betriebsprüfer gelangten sodann zu der Ansicht, dass ohne die Programmierungsprotokolle die so genannten Z-Bons nicht aussagekräftig seien. Im Rahmen des angestellten Zeitreihenvergleichs mit quartalsmäßig ermittelten Rohgewinn-Aufschlagssätzen habe sich ergeben, dass im 1. Quartal 2008 ein Rohgewinnaufschlagssatz i.H.v. 370,52 % erreicht worden sei. Aus diesem Satz errechnete die Betriebsprüfung für 2008 und 2009 einen Gesamtumsatz i.H.v. insgesamt 492.983,19 Euro. Den sich hieraus ergebenden Mehrerlös i.H.v. 79.820,80 Euro (= kalkulierter Erlöse i.H.v. 492.893,19 Euro abzgl. die für 2008 und 2009 erklärten Erlöse) verteilte die Betriebsprüfung wie folgt auf die drei Streitjahre:

in Euro

2008

2009

2010

zu 19 % umsatzsteuerpflichtige Mehreinnahmen

19.782,02

22.218,32

23.537,95

zu 7 % umsatzsteuerpflichtige Mehreinnahmen

5.121,94

4.546,88

4.613,69

Summe Mehreinnahmen

29.021,08

31.304,96

32.946,81

Der Antragsgegner folgte der Ansicht der Betriebsprüfung und erließ für die Streitjahre am 13.03.2012 unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide und unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO vom Inhalt der Umsatzsteuerjahreserklärungen abweichende Umsatzsteuerbescheide. Im Einzelnen wird zum Inhalt der Bescheide vom 13.03.2012 auf die Akten verwiesen. Hiergegen legte die Antra...

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