rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten beim abgestuften Anteilserwerb

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Veräußerung einer zunächst geringen Beteiligung, um in einer zweiten Stufe im Rahmen der bereits existierenden Gesellschaft weitere Bruchteile steuerbegünstigt veräußern zu können, stellt einen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO dar.
  2. Das Einräumen einer unbedingten Option zum Erwerb von weiteren Anteilen ohne sich rechtlich vor zu behalten, diese zu widerrufen, ist ein bedeutendes Indiz eine Aufsplittung eines einheitlichen Verkaufs zur Erlangung einer Steuervergünstigung.
 

Normenkette

AO § 42; EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

1997

 

Tatbestand

Der Antragsteller (Ast.) betreibt seit dem 1.1.1997 eine gemeinschaftliche Zahnarztpraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), zu deren Gründung er seine bis dahin als Einzelunternehmen geführte Praxis zu Buchwerten einbrachte. Nach § 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages (GV) wurde der Einbringungswert einvernehmlich auf 500.000 DM festgelegt.

Der aufgenommene Sozius erwarb bei Gründung zunächst einen Anteil von 5 % und zahlte dafür unmittelbar an den Ast. 25.000 DM (vgl. § 3 Abs. 4 GV). Außerdem wurden dem Sozius in § 3 Abs. 5 des GV Optionen zum Erwerb weiterer Gesellschaftsanteile wie folgt eingeräumt:

zum 1.1.1998 weitere 25 % zu einem Kaufpreis von 125.000 DM und zum 1.1.1999 weitere 20 % zu einem Kaufpreis von 100.000 DM.

Die Zahlungen waren nach Ausübung der Option jeweils zum 15.2. des ent-sprechenden Kalenderjahres fällig. Mit der Bezahlung gingen gemäß § 3 Abs. 6 des GV der anteilig erworbene Good Will und der materielle Wert der Praxis auf den Sozius über.

Die Optionen wurden – entsprechend einer Abänderungsvereinbarung unter den Gesellschaftern vom 12.11.1997 (Bl. 39 FG-Akte) – zum 31.12.1997 und zum 31.12.1998 ausgeübt.

Wegen des weiteren Inhalts des GV wird auf die dem Gericht vorgelegte Ausfertigung (Bl. 18 – 38 FG-Akte) Bezug genommen.

Nach einer Außenprüfung bei der GbR wurden die Erlöse aus den beiden Optionsanteilserwerben nicht mehr als tarifbegünstigte Veräußerungsgewinne der GbR, sondern wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. § 42 Abgabenordnung (AO) als laufender Gewinn des Ast. für das Kalenderjahr 1997 behandelt.

Dabei setzte der Antragsgegner (das Finanzamt, FA) im ESt-Bescheid für 1997 - zuletzt vom 30.8.2000 - zusätzlich zu den erklärten Einkünften einen weiteren freiberuflichen Gewinn aus den streitigen Anteilsveräußerungen in Höhe von insgesamt 230.236 DM an und setzte die ESt entsprechend höher auf 145.017 DM fest.

Hiergegen erhob der Ast. rechtzeitig Sprungklage, der das FA fristgerecht zugestimmt hat. Ein Vollziehungsaussetzungsantrag beim FA ist ohne Erfolg geblieben.

Der Ast. ist der Auffassung, es liege kein Gestaltungsmissbrauch vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Ast. beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des ESt-Bescheids für 1997 vom 30.8.2000 bis zur Rechtskraft einer Entscheidung im Hauptsacheklageverfahren mit dem Az. 2 K 3471/00 ohne Sicherheitsleistung in Höhe von 109.111,10 DM auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 V 5039/00 und 2 K 3471/00) sowie der vorgelegten Steuerakten (1 Band ESt-Akten, 1 Sonderband BP-Akten Ast., 1 Sonderband BP-Akten GbR) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist nicht begründet.

Nach dem Gesetz (§ 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- ) kann das Gericht die Vollziehung eines Steuerbescheides auf Antrag eines Steuerpflichtigen ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Steuerpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da dem Steuerpflichtigen durch eine Aussetzung der Vollziehung nur ein vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden soll,

beschränkt sich das Verfahren auf eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalts und der vorliegenden Beweismittel.

Gemessen an diesen Voraussetzungen hat das FA im Streitfall zu Recht einen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO angenommen.

Hintergrund für die konkrete Vertragsgestaltung im Streitfall ist folgendes:

Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG) führt nicht nur die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, sondern auch die eines Bruchteils an einem Mitunternehmeranteil nach jahrzehntelang einhelliger Meinung in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung zu einem begünstigten Veräußerungsgewinn, obwohl dabei nicht alle stille Reserven eines Mitunternehmeranteils aufgedeckt und übertragen werden (z.B.: BFH Urteil vom 14.9.1994 I R 12/94, BStBl II 1995, 404; vom 8.12.1994 IV R 82/92, BStBl II 1995, 599, jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Der Große Senat hat in seiner Entscheidung vom 18.10.1999...

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