4.1 Kündigungsfristen

Handelsvertreterverträge sind üblicherweise auf unbestimmte Zeit geschlossen. Will eine der Vertragsparteien kündigen, muss sie Fristen – gestaffelt nach der Vertragsdauer – einhalten (§ 89 HGB). Eine Kündigung ist nur zum Schluss eines Kalendermonats zulässig, falls nichts anderes vereinbart ist. Die Kündigungsfristen können vertraglich verlängert, aber nicht verkürzt werden (§ 89 Abs. 2 HGB).

Aus einer bloßen Untätigkeit des Handelsvertreters darf nicht auf eine Kündigung des Handelsvertretervertrags geschlossen werden.[1]

 
Hinweis

Zu lange Kündigungsfrist zulasten des Handelsvertreters ist unzulässig

Eine gegenüber einem Handelsvertreter im Nebenberuf verwendete Formularbestimmung, wonach eine Vertragskündigung nach einer Laufzeit von 3 Jahren nur unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten auf das Ende eines Kalenderjahrs zulässig ist, ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam.[2]

Eine Vertragsbestimmung, wonach die Zahlung eines zweckgebundenen Bürokostenzuschusses an den Handelsvertreter davon abhängig gemacht wird, dass das Vertragsverhältnis im Zeitpunkt der Zahlung ungekündigt besteht, stellt jedenfalls dann eine erhebliche Erschwerung der Kündigungsmöglichkeit des Handelsvertreters dar, die gegen die zwingende Regelung in § 89 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 HGB verstößt und damit gem. § 134 BGB unwirksam ist, wenn der Handelsvertreter für die ordentliche Kündigung des Vertrags eine mehrjährige Kündigungsfrist einzuhalten hat.[3]

Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ist möglich und führt u. U. zu Schadensersatzansprüchen des Kündigungsberechtigten (§ 89a HGB).

Eine Beschränkung des unabdingbaren Rechts zur fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrags kann bei bloß mittelbaren Beschränkungen in Form von an die Kündigung anknüpfenden finanziellen Nachteilen vorliegen, etwa bei der sofortigen Rückforderung dem Handelsvertreter gewährter langfristiger Darlehen.[4]

Stellt der Unternehmer seinem Handelsvertreter zur Vereinfachung der Vermittlungstätigkeit ein Online-Portal zur Verfügung, für dessen Nutzung der Handelsvertreter ein Entgelt zahlt, ist die grundlose Sperrung des Zugangs zu diesem Portal durch den Unternehmer für den Handelsvertreter ein wichtiger Kündigungsgrund nach § 89a Abs. 1 HGB.[5]

[1] OLG München, Endurteil v. 26.10.2017, 23 U 1036/17, ZVertriebsR 2017 S. 384.
[5] OLG München, Endurteil v. 30.6.2016, 23 U 3265/15, ZVertriebsR 2017 S. 196.

4.2 Ausgleichsanspruch

Bei Kündigung des Handelsvertretervertrags seitens des Unternehmens – oder unter engen Voraussetzungen, z. B. Unzumutbarkeit der weiteren Tätigkeit aus Altersgründen, – vom Handelsvertreter selbst, kann Letzterer einen Ausgleichsanspruch verlangen (§ 89b HGB).

§ 89b Abs. 3 Nr. 1 1. Alt. HGB dient nicht dazu, dem Handelsvertreter zu ermöglichen, sein eigenes unternehmerisches Risiko einseitig auf den Unternehmer zu verlagern. Dieser gibt nicht schon dann begründeten Anlass für eine Eigenkündigung des Handelsvertreters, wenn er es unterlassen hat, dem Handelsvertreter von sich aus eine Reduzierung der Tankstellenpacht anzubieten, um dem Handelsvertreter die Erzielung eines ausreichenden Gewinns zu ermöglichen.[1]

Es ist Sache des Handelsvertreters, seinen Ausgleichsanspruch im Einzelnen zu beziffern. Für die Berechnung existieren diverse Methoden.[2] Ausgangspunkt der Berechnung sind die in den letzten 12 Tätigkeitsmonaten vor Ende des Vertrags dem Handelsvertreter zugeflossenen Provisionen (Rohausgleich). Der Ausgleich ist nach oben begrenzt auf eine Jahresprovision nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre bzw. bei kürzerer Dauer des Vertrags entsprechend.

Der Ausgleichsanspruch besteht, wenn und soweit

  • der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Handelsvertretervertrags Vorteile hat, und
  • eine Ausgleichszahlung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht (§ 89b Abs. 1 HGB).

Provisionsverluste sind nur einer von mehreren Gesichtspunkten im Rahmen der Billigkeitsprüfung, aber keine selbstständige Tatbestandsvoraussetzung.[3]

 
Hinweis

Ausgleichsansprüche bezüglich Stammkunden

Auszugleichende Unternehmervorteile und Provisionsverluste können nur aus Geschäftsbeziehungen zu solchen Kunden herrühren, die zu Stammkunden geworden sind. Stammkunden sind grundsätzlich alle Mehrfachkunden, die innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen werden.[4]

Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht. Bisher...

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