1.1 Handelsrecht

 

Rz. 1

Grundsätzlich ist jeder Kaufmann i. S. d. HGB verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ersichtlich zu machen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 HGB). Eine Befreiung von der Buchführungspflicht ist gem. § 241a HGB dann möglich, wenn Einzelkaufleute an den Abschlussstichtagen von 2 aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 800.000 (600.000)[1]  EUR Umsatzerlöse und 80.000 (60.000) EUR Jahresüberschuss aufweisen. Diese können die Möglichkeit nutzen, statt der kaufmännischen Buchführung eine Einnahmeüberschussrechnung i. S. d. § 4 Abs. 3 EStG zu erstellen. Diese Einnahmeüberschussrechnung entspricht nicht den Anforderungen an eine kaufmännische Buchführung.

Nur für die Darstellung der Handelsgeschäfte in der kaufmännischen Buchführung und für den Ausweis der Lage des Vermögens sind also die GoB maßgebend. Deren Notwendigkeit resultiert aus dem Umstand, dass die in den Paragrafen des Handels- und Steuerrechts kodifizierten Regelungen, weil sie prinzipienorientiert formuliert sind, die konkrete Handhabung der Rechnungslegung einzelner Sachverhalte in Unternehmen nur in Grundzügen bestimmen können. In der wirtschaftlichen Praxis existiert jedoch eine solche Fülle von differenzierten Sachverhalten, dass der Gesetzgeber dieses Spektrum an Einzelsachverhalten gar nicht vollständig regeln kann und zur Erhaltung der notwendigen Anpassungsflexibilität an veränderte wirtschaftliche Lagen auch nicht vollständig regeln sollte. Die GoB stellen rechtsnormergänzende Konkretisierungen zur Handhabung der verschiedenen, praktisch auftretenden Rechnungslegungsprobleme dar. Es sind allgemein anerkannte Regeln über das Führen der Handelsbücher und das Erstellen des Jahresabschlusses der Unternehmung. Die GoB sind zwingende Rechtssätze, die das Gesetz ergänzen und immer dort greifen, wo Gesetzeslücken auftreten bzw. spezifische Gesetzesvorschriften einer Auslegung bedürfen. Durch die gesetzliche Verweisung wird die den GoB zugrunde liegende Ordnungsvorstellung zum unmittelbaren Normbefehl.

Nur für die Konzernbilanzierung gibt es eine Auslegung der GoB insoweit, als dass die Rechnungslegungsempfehlungen der Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS) nach der Bekanntmachung durch das BMJ die Vermutung in sich tragen, die GoB für die Konzernbilanzierung zu erfüllen (§ 342q Abs. 2 HGB). Gleichwohl haben diese Empfehlungen eine Ausstrahlungswirkung auch auf die Rechnungslegung auf Einzelabschlussebene.[2] Die relevanteste Auslegung der GoB auf Einzelabschlussebene erfolgt durch Rechtsprechung, gefolgt von Rechnungslegungsstandards/-hinweisen sowie Prüfungsstandard/-hinweisen des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) bzw. deren internationalen Entsprechungen als International Standards on Auditing (ISA) sowie Kommentierungen/Fachliteratur. Die Rolle der Praxis als Ausgangspunkt der Entstehung von GoB ist in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgedrängt worden.

Obwohl die umgekehrte Maßgeblichkeit gestrichen wurde, erfolgt die Auslegung der GoB auch aktuell noch überwiegend durch die Finanzgerichte – dahinter liegt die Überlegung, dass es keine getrennte handelsrechtliche/steuerrechtliche GoB geben kann (sollte). Die Finanzgerichte legen somit formal die HGB-GoB aus, die Auslegung ist dann maßgeblich für das Steuerrecht. Diese Entwicklung ist in Theorie und Praxis durchaus strittig, einerseits da es vermehrt Urteile gibt, die klar steuerrechtlich geprägt scheinen und andererseits, da die Ziele der Rechnungslegung nach HGB (auf Basis der Bilanzrichtlinie 2013/34/EU) und Steuerrecht unterschiedlich sind (sein sollten).

Die Handelsgeschäfte werden in der laufenden kaufmännischen Buchführung aufgezeichnet. Es ist Ziel der Buchführung, die Lage des Vermögens und der Finanzen darzustellen sowie den Geschäftserfolg zu ermitteln.[3] Daher wird die Buchführung nach Ablauf der Rechnungsperiode abgeschlossen. Der Jahresabschluss ist somit Teil der Buchführung und ihre notwendige Folge. Auch er ist daher nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen (§ 243 Abs. 1 HGB).

[1] Erhöhung der Schwellenwerte mit dem Wachstumschancengesetz mit Wirkung für nach dem 31.12.2023 beginnende Geschäftsjahre, BGBl. v. 27.3.2024, Nr. 108.
[2] Vgl. Lorson et al., ZGR 2015, S. 887 ff.; s. auch "Deutsche Rechnungslegungs Standards".

1.2 Ertragsteuerrecht

 

Rz. 2

Der Geschäftserfolg ist Bemessungsgrundlage für die Ertragsteuern. Da er ausgehend von der handelsrechtlichen Buchführung ermittelt wird, ist diese Grundlage für die Ermittlung des für die Besteuerung maßgebenden Gewinns. Daher ist auch in der Steuerbilanz grundsätzlich das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Umgekehrt sind es fast ausschließli...

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