Die Erlangung der Verwertungsbefugnis an einem inländischen Grundstück unterliegt als eigenständiger Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer.[1] Die Voraussetzungen sind im Einzelnen:

  • Rechtsvorgang,
  • der keinen Anspruch auf Übereignung begründet und
  • der es einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

Dieser selbstständige und – gegenüber den Tatbeständen in § 1 Abs. 1 GrEStG – subsidiäre (Ersatz-)Tatbestand kann ohne Rücksicht auf die Beweggründe oder die Absicht der Beteiligten erfüllt werden. Er stellt darauf ab, ob die maßgebenden Rechtsvorgänge es einem anderen als dem Eigentümer rechtlich oder wirtschaftlich "ermöglicht" haben, das "Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten". Damit setzt die Vorschrift eine Verwertungsmacht des Berechtigten voraus, deren rechtlichen Gehalt das Gesetz im Einzelnen nicht umschreibt; die Unterscheidung "rechtlich oder wirtschaftlich" betrifft allein die Art und Weise der möglichen Verwertung.[2]

2.3.1 Rechtsvorgang

Der Tatbestand beschränkt sich nicht auf bestimmte Rechtsvorgänge. Der Rechtsvorgang kann sowohl privatrechtlicher als auch öffentlich rechtlicher Natur sein. Es kann sich auch um ein Bündel von Rechtsvorgängen handeln, die in ihrer Gesamtheit zur Erlangung der Verwertungsbefugnis führen. Handlungen, die keine Rechtsvorgänge darstellen, können den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllen.[1]

[1] Vgl. Schnitter in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 1 GrEStG, Rz. 222, 118. Ergänzungslieferung, April 2022.

2.3.2 Erlangung der Verwertungsbefugnis

§ 1 Abs. 2 GrEStG bestimmt den Begriff der Verwertungsbefugnis nicht. Die Verwertungsmöglichkeit auf eigene Rechnung erlangt der Verwertungsberechtigte nur dann, wenn er zum einen an der gesamten Substanz des inländischen Grundstücks beteiligt ist. Dies verlangt, dass er Wertsteigerungen und Wertminderungen des Grundstücks gesichert realisieren kann. Die zivilrechtliche Rechtszuständigkeit des Grundstückseigentümers muss im Innenverhältnis durch die Rechtsmacht des Verwertungsberechtigten ausgehöhlt werden. Für die Verwertungsmacht des Verwertungsberechtigten ist es unschädlich, wenn er nach den der Übertragung der Verwertungsbefugnis zu Grunde liegenden Vereinbarungen nicht an den Wertverlusten des Grundstücks beteiligt ist.

Die Beteiligung an der Grundstückssubstanz kann erfolgen durch Teilhabe am Veräußerungserlös oder durch Wertbeteiligung in anderer Weise. Zum anderen setzt die Erlangung der Verwertungsmöglichkeit regelmäßig auch voraus, dass der Verwertungsbefugte an dem Grundstück Besitz- und Nutzungsrechte erhält.[1]

[1] Vgl. Schnitter in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 1 GrEStG, Rz. 223, 118. Ergänzungslieferung, April 2022.

2.3.3 Fallgruppen

In der Praxis haben sich bestimmte Fallgruppen herausgebildet, bei denen die Verschaffung der Verwertungsbefugnis zu bejahen ist. Diese Fallgruppen sind nicht abschließend. Auch anderweitige Sachverhalte können den Anforderungen des § 1 Abs. 2 GrEStG genügen. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Verhältnisse im Einzelfall.

Bei den in der Praxis bedeutendsten Fallgruppen handelt es sich um:

  • die Verkaufsermächtigung. Unter der Verkaufsermächtigung ist die Ermächtigung zur Veräußerung eines Grundstücks auf eigene Rechnung des Verkaufsermächtigten zu verstehen. Die Verkaufsermächtigung kann beruhen z. B. auf der vom Grundstückseigentümer erteilten Vollmacht oder erklärten Einwilligung zur Grundstücksveräußerung;
  • den Immobilienleasingvertrag. Leasing ist die Nutzungsüberlassung einer Sache, wobei seine Bedeutung in einer Finanzierungsalternative besteht. Das Leasingobjekt wird vom Leasinggeber angeschafft und finanziert und dem Leasingnehmer gegen ein Entgelt zur Nutzung überlassen. Maßgebend für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung von Immobilien-Leasing-Verträgen ist deren jeweilige Ausgestaltung. Der Abschluss eines Immobilien-Leasing-Vertrags kann dabei bereits zur Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG führen;
  • die Einbringung eines Grundstücks dem Werte nach. Von der Einbringung eines Grundstücks dem Werte nach spricht man, wenn aufgrund von Vereinbarungen zwischen der Personengesellschaft und dem Grundstückseigentümer das Grundstück der Gesellschaft überlassen wird und Wertveränderungen des Grundstücks der Personengesellschaft und nur vermittels des Gesellschaftsverhältnisses den Gesellschaftern zugute kommen.[1] Das Eigentum an dem Grundstück wird nicht auf die Personengesellschaft übertragen;
  • die Treuand. Der Treuhänder erwirbt Vermögensrechte, beispielsweise das Eigentum an einem Grundstück, zu eigenem Recht und übt diese Rechte zwar im eigenen Namen, aber nicht (ausschließlich) im eigenen Interesse aus. Die Person, in deren Interesse das Recht ausgeübt wird, ist der Treugeber. Der Treuhänder unterliegt bei der Ausübung seiner Rechte und Pflichten den Weisungen des Treugebers. Er handelt für Rechnung des Treugebers.[2]
 
Hinweis

Keine Verwertungsbefu...

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