Leitsatz

Ein Grundstückserwerb zur Erfüllung eines auf Geld gerichteten Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs "an Erfüllungs statt" ist nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer befreit (Aufgabe des BFH-Urteils vom 30.9.1981, II R 64/80, BStBl II 1982, 76).

 

Normenkette

§ 3 Nr. 2 GrEStG , § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG , § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG

 

Sachverhalt

Durch gemeinsames Testament hatten die Eltern der Klägerin sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und bestimmt, dass nach dem Tod des Längstlebenden die Klägerin und ihre beiden Schwestern Erben sein sollten, und zwar die Klägerin zu 16,67 % und die Schwestern zu je 41,665 %. Vor ihrem Tod machten die Eltern den beiden Schwestern noch umfangreiche Vorschenkungen in Gestalt von Grundstücken.

Nach dem Tod der Mutter als Längstlebende machte die Klägerin Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Daraufhin schlossen die Geschwister eine als "Teilerbauseinandersetzung" bezeichnete Vereinbarung, wonach die Klägerin durch Übertragung ihres Erbteils auf die Schwestern aus der Erbengemeinschaft ausschied und die Schwestern sich verpflichteten, bestimmte Grundstücke aus den Vorschenkungen auf die Klägerin zu übertragen.

Wegen dieser Verpflichtung zur Grundstücksübertragung setzte das FA gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer – bemessen nach 16,67 % des Nachlasswerts – fest. Die Klage, mit der die Klägerin die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG geltend machte, hatte Erfolg. Dagegen richtete sich die Revision des FA.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und führte aus, es könne auf sich beruhen, ob die Klägerin auf Grund einer im Testament enthaltenen Verwirkungsklausel durch die Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen ihre Erbenstellung verloren habe, wie das FG meint.

Sollte dies der Fall sein, hätte sie die Grundstücke an Erfüllungs statt für ihre auf Geld gerichteten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche erhalten. Ein solcher Erwerb ist nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei, da es sich dann nicht um einen Erwerb von Todes wegen handelt. Von Todes wegen waren die Geldansprüche erworben. Ein Erwerb von Todes wegen ergibt sich auch nicht fiktiv aus § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Die Klägerin hätte bei dem vom FG angenommenen Verlust der Erbenstellung gerade nicht auf ihre Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche verzichtet.

Sollte die Klägerin, wozu der BFH neigt, Erbin geblieben sein, hätte sie die Grundstücke ebenfalls nicht von Todes wegen erhalten, wie § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG es verlangt, sondern für die Aufgabe ihrer Miterbenstellung. Auch eine Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 3 GrEStG (Grundstückserwerb zur Nachlassteilung) schiede aus, weil die der Klägerin übertragenen Grundstücke nicht zum Nachlass gehört haben. Auf Pflichtteilsergänzungsansprüche, die die Klägerin dann als Erbin geltend gemacht hätte, träfe wiederum zu, dass sie nur auf Geld gerichtet waren.

 

Hinweis

Die Entscheidung bekräftigt für den Bereich der Grunderwerbsteuer die Aufgabe der früheren Rechtsprechung, wonach sowohl für die Erbschaftsteuer als auch für die Grunderwerbsteuer das an Erfüllungs statt übertragene Grundstück als Erwerbsgegenstand an die Stelle des Pflichtteils- und/oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs trat. Nunmehr gilt für beide Steuerarten die Maßgeblichkeit der Tatsache, dass der Pflichtteils(ergänzungs)anspruch ein Geldanspruch ist.

Für den Bereich der Erbschaftsteuer handelt es sich dabei um ein Problem der Bewertung, und zwar sowohl auf der Seite des Berechtigten als auch auf der Seite des Verpflichteten. Als Geldanspruch ist der Pflichtteils(ergänzungs)anspruch – und korrespondierend damit auch die Verpflichtung des Erben – mit dem Nennwert zu bewerten. Der niedrigere Einheitswert bzw. heute der niedrigere Bedarfswert eines an Erfüllungs statt übertragenen Grundstücks ist demnach unbeachtlich.

Für den Bereich der Grunderwerbsteuer geht es um die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG, die den Erwerb eines an Erfüllungs statt übertragenen Grundstücks nicht erfasst, weil es nicht von Todes wegen erworben wurde. Die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung eines solchen Grundstückserwerbs ist durch die erbschaftsteuerliche Sichtweise vorgegeben, wobei diese wiederum durch die Tatsache beeinflusst ist, dass erbschaftsteuerrechtlich immer sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete im Auge zu behalten sind. Eine zugunsten des Berechtigten vorgenommene Bewertung mit dem Grundstückswert hätte bei der gebotenen korrespondierenden Bewertung auf Seiten des Verpflichteten zu dessen Lasten einen geringeren Abzug zur Folge.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.7.2002, II R 11/01

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