Fragen der Produktsicherheit können für ein Unternehmen von entscheidender Bedeutung sein (z. B. Vertriebsstopp, Warnung vor weiterer Benutzung, Rückruf, Kompetenzen der Abteilung, Qualitätskontrolle). Zunächst trägt der jeweilige Geschäftsführer, der das Ressort leitet, die Verantwortung. Allerdings sollte bei Kenntnis von Schadensfällen eine Entscheidung aller Geschäftsführer herbeigeführt werden, damit die einzelnen Geschäftsführer einer Haftung entgehen.

Ist ein Geschäftsführer überzeugt, dass eine Gefahr abgewendet werden muss, hat er die Pflicht, sein Stimmverhalten seiner Überzeugung anzupassen. Es ist zu empfehlen, den Inhalt der Stimmabgabe zu dokumentieren. Wer – einstimmig oder mehrheitlich – gegen eine gebotene Gefahrsteuerung stimmt, kann für dadurch entstandene Schäden haften.

Unklar ist, ob ein Geschäftsführer auch haftet, wenn er bei seiner Stimmabgabe von der Mehrheit der Geschäftsführung oder einer dominierenden Führungskraft gedrängt wird, gegen eine Gefahrsteuerung zu stimmen. Wer diese Gefahr nicht tragen kann oder will, muss – auch mit der Möglichkeit, dass er seine Geschäftsführerposition verlieren wird – dagegen stimmen oder sich zumindest der Stimme enthalten oder eine abweichende Meinung zu Protokoll geben.

Wer als Geschäftsführer bei der entscheidenden Sitzung nicht mitstimmen konnte oder für eine Gefahrensteuerung stimmte, aber überstimmt wurde, ist in einer schwierigen Lage. Einerseits ist er gehalten, die Mehrheitsentscheidung zu respektieren. Das heißt, er muss sie nicht nur akzeptieren, sondern gegebenenfalls sogar durchsetzen. Beispielsweise dadurch, dass die Auslieferung eines Produktes trotz Gefahr fortgesetzt wird.

Andererseits bleibt er als einzelner Geschäftsführer verantwortlich, wenn das Führungsgremium entgegen seiner erklärten Meinung eine Mehrheitsentscheidung getroffen hat – auch dann, wenn diese Entscheidung eine Fehlentscheidung ist.

Billigt also die Minderheit, die für eine Gefahrensteuerung gestimmt hat, aber unterlegen ist, die Mehrheitsentscheidung nachträglich und übernimmt sie möglicherweise sogar für ihr jeweiliges Ressort, kann dieses Verhalten eine Haftung begründen.

 

Mittelbare Haftung

Als Geschäftsführer haftet man nicht nur für eigenes Handeln. Man kann sich auch durch Anweisung an Mitarbeiter haftbar machen. Das gilt für die zivilrechtliche Haftung als auch für die strafrechtliche Verantwortlichkeit. Diese entfällt nämlich nicht "einfach" dadurch, dass Sie bestimmte Aufgaben, die durch Gesetz oder Satzung zugewiesen werden, auf Mitarbeiter oder externe Berater delegieren. Im Gegenteil: Wer die ordnungsgemäße Ausführung der Aufgaben nicht überwacht, haftet auch der GmbH gegenüber zivilrechtlich wegen Organisationsverschulden.

 

Hinzuziehung eines Rechtsanwalts

Wenn Sie sich in einer solchen Lage befinden, sollten Sie unbedingt einen Rechtsanwalt hinzuziehen.

 

Strafrechtliche Gesamtverantwortung

1. Der "Lederspray-Fall": Eine GmbH, die ein Lederspray herstellte, wurde von 4 Geschäftsführern geleitet, die zuständig waren für die Ressorts Chemie, Technik, Einkauf, Lager und Speditionswesen, Verwaltung und Absatz. Alle Geschäftsführer wussten, dass einzelne Benutzer der Ledersprays schwere gesundheitliche Schäden erlitten hatten. Sie wussten auch, dass ein nicht unerheblicher Teil der erkrankten Benutzer auf Intensivstationen gebracht werden mussten. Trotz der Kenntnis von gravierenden Schadensfällen wurde die Produktion nicht gestoppt. Auf einer Krisensitzung teilte der Geschäftsführer (Chemie) mit, dass ein toxischer Stoff noch nicht ermittelt wurde. Er riet daher von einem umgehenden Rückruf der betroffenen Produkte ab und schlug vor, entsprechende Warnhinweise auf die Dosen aufzubringen. Das Geschäftsführergremium entschied sich in diesem Sinne. Der entsprechende Gremiumsbeschluss war aus Sicht der BGH-Richter jedoch rechtswidrig und verspätet, da die Geschäftsführung bereits seit längerer Zeit von den Schadensfällen Kenntnis hatte. Somit begründete der Beschluss die ressortübergreifende Haftung aller Geschäftsführer.
2. Der "Kinderteefall": Ein Kinderteeprodukt wurde stark gesüßt in Plastik-Saugflaschen vertrieben. Auf den Saugflaschen fehlte ein Warnhinweis, wonach "Dauernuckeln" zu einer Gefahr für das Milchzahngebiss führen könnte. Sämtliche Geschäftsführer (Entwicklung, Produktion und Vertrieb) wurden sowohl zivil- als auch strafrechtlich als Gesamtschuldner oder Mittäter durch den BGH verurteilt.

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