Im Jahr 2011 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) noch entschieden: Werden Gehaltsbestandteile (Weihnachtsgeld, Tantieme) nicht ausgezahlt, ist die Besteuerung nur zulässig, wenn die Forderung des Geschäftsführers gegen die GmbH als Verbindlichkeit gebucht ist. Ist das nicht der Fall, darf auch keine Lohnsteuer dafür erhoben werden (BFH, Urteil v. 3.2.2011, VI R 4/10 und VI R 66/09). In der Praxis haben viele Finanzämter diese Rechtsprechung jedoch ignoriert und weiterhin Lohnsteuer für nicht ausgezahlte Gehaltsbestandteile berechnet.

Unterdessen hat das Bundesfinanzministerium per Erlass für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer neue Vorschriften erlassen (BMF, Schreiben v. 12.5.2014, IV C 2 – S 2743/12/10001). Diese werden von den Finanzbehörden umgesetzt. Danach gilt:

  • Dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer fließt eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen seine GmbH bereits mit deren Fälligkeit zu. Ob sich der Vorgang in der Bilanz der GmbH tatsächlich gewinnmindernd auswirkt (etwa durch Bildung einer Verbindlichkeit) ist für die Anwendung der sog. Zuflussfiktion nicht erheblich (vgl. BFH, Urteil vom 15.5.2013, VI R 24/12).
  • Für den Zufluss beim Gesellschafter-Geschäftsführer durch eine verdeckte Einlage in die GmbH kommt es darauf an, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer vor oder nach Entstehen seines Anspruchs darauf verzichtet. Maßgeblich hierfür ist, inwieweit ein Passivposten in die Bilanz der GmbH eingestellt werden muss – und zwar zum Zeitpunkt des Verzichts. Auf die tatsächliche Buchung in der Bilanz der Gesellschaft kommt es für die Frage des Zuflusses aufgrund einer verdeckten Einlage nicht an.

Der neue BMF-Erlass behandelt zwar ausdrücklich die Frage eines Gehaltsverzichts (Festgehalt, Tantieme, Sonderzahlungen) des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH. Die Finanzämter werden danach für alle unterlassenen Zahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer, auf die dieser vertraglich einen Rechtsanspruch hat, Lohnsteuer durchsetzen.

 
Achtung

Fälligkeit für Lohnsteuer entscheidend

Entscheidend für die Lohnsteuer ist die "Fälligkeit". Steht z. B. im Vertrag, dass der Anspruch auf Tantieme erst mit Ablauf des Geschäftsjahres entsteht, kann der Geschäftsführer noch im Laufe des Geschäftsjahres darauf verzichten, ohne dass das steuerliche Nachteile bringt.

Im Erlass ist zwar ausdrücklich die Rede vom beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer. In der Praxis muss man aber davon ausgehen, dass die Finanzämter diese Rechtslage auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer kleineren Beteiligung anwenden werden. Auch hier muss man aufpassen: Sind Gehaltsbestandteile "fällig", muss bei einem Verzicht dennoch Lohnsteuer gezahlt werden.

 
Praxis-Beispiel

Fälligkeit der Tantieme

Die Tantieme wird in der Regel mit der Feststellung des Jahresabschlusses "fällig". Verzichtet der Geschäftsführer einvernehmlich vor der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafter (Änderung des Anstellungsvertrags durch Beschluss der Gesellschafterversammlung), darf das Finanzamt dafür auch keine Lohnsteuer erheben. Laut BFH gilt: "Wurde der Anspruch auf Gehalt vor dem Zeitpunkt der Entstehung einvernehmlich aufgehoben, darf keine Lohnsteuer erhoben werden".

 
Praxis-Tipp

Einspruch gegen Steuerbescheid prüfen

Hat das Finanzamt auf nicht ausgezahlte und nicht fällige Gehaltsbestandteile des Gesellschafter-Geschäftsführers Lohnsteuer festgesetzt, ist zu prüfen, ob die Steuerbescheide bereits bestandskräftig sind. Ist das nicht der Fall, sollten diese unter Hinweis auf die oben genannte Rechtsprechung weiter offen gehalten werden. Setzt das Finanzamt in einem aktuellen Fall Lohnsteuer an, sollte dagegen Einspruch eingelegt werden. Steht eine Betriebsprüfung an, sollte der Geschäftsführer bei entsprechender Veranlagung durch den Prüfer auf die Rechtslage hinweisen und ggf. finanzgerichtlich dagegen vorgehen.

Den Fremd-Geschäftsführer und den Geschäftsführer mit einer Mini-Beteiligung muss das Finanzamt steuerlich wie einen normalen Arbeitnehmer behandeln. Danach wird Lohnsteuer nur dann fällig, wenn der Arbeitslohn bzw. das Gehalt tatsächlich zugeflossen ist. Eine Besteuerung von ‹fiktivem› Gehalt ist generell nicht zulässig.

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