Leitsatz

Für den Fall, dass eine ärztliche Gemeinschaftspraxis einen Arzt als weiteren Gesellschafter aufnimmt, der an einem neuen Standort eine (Neben-)Betriebsstätte betreibt, hier auch Behandlungsverträge mit Patienten abschließt und diese selbstständig behandelt, erzielt diese gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt gewerbliche Einkünfte, wenn der neue Gesellschafter weder eine Mitunternehmerinitiative noch ein Mitunternehmerrisiko trägt.

 

Sachverhalt

In eine ärztliche Gemeinschaftspraxis (GbR) trat im Januar 2008 eine weitere Gesellschafterin ein. Die GbR eröffnete zu diesem Zweck neben der (Haupt-)Praxisbetriebsstätte eine (Neben-)Betriebsstätte in einem anderen Ort, in der die neu eingetretene Gesellschafterin praktizieren sollte. Gesellschaftsrechtlich wurde vereinbart, dass die Gesellschafter ihren Beruf jeweils unabhängig und in eigener Verantwortung nach bestem Wissen und Gewissen ausüben. Ein die ärztliche Tätigkeit betreffendes Weisungsrecht war ausgeschlossen. Die neu beigetretene Gesellschafterin war im Übrigen auch nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Ihr stand lediglich ein Stimmrecht von 1/100 zu. Der Jahresgewinn wurde entsprechend dem Anteil am Gesellschaftsvermögen auf die Gesellschafter verteilt. Bezüglich der neu eingetretenen Gesellschafterin wurde im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass diese am Jahresgewinn mit einem Fixbetrag beteiligt ist und zusätzlich ab Januar 2011 eine Gewinnbeteiligung am Jahresgewinn, der in der (Neben)-Praxisbetriebsstätte erzielt wird, erhält.

Das Betriebsstättenfinanzamt stellte in den Jahren 2008-2013 erklärungsgemäß im Rahmen von Feststellungsbescheiden Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit für die Gesellschaft fest.

Im Jahr 2012 wurde eine Betriebsprüfung für die Jahre 2008-2010 durchgeführt.

Aus dem hierzu ergangenen Betriebsprüfungsbericht ergibt sich, dass die eingetretene Gesellschafterin in sämtlichen Jahren des Prüfungszeitraums nicht an der GbR beteiligt war. Der Betriebsprüfer kürzte lediglich die Sonderbetriebsausgaben aller Gesellschafter, wies aber die Einkünfte der GbR als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit aus. Das Finanzamt folgte der Betriebsprüfung und stellte entsprechend (geänderte) Einkünfte aus selbständiger Arbeit fest.

Für die Jahre 2011-2013 führte das Finanzamt erneut eine Betriebsprüfung durch. Nunmehr vertrat die Betriebsprüfung die Auffassung, dass die neu eingetretene Gesellschafterin zwar zivilrechtlich als solche zu erfassen sei, nicht aber steuerliche Mitunternehmerin der GbR sei. Da sie aber Behandlungsverträge im Namen der GbR abgeschlossen habe und Honorareinnahmen in der (Neben-)Betriebsstätte zugunsten der verbleibenden Gesellschafter erzielt habe, seien diese Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Satz 3 EStG als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren, weil sie nicht durch die eigene Fachkenntnis, Leitung und Verantwortung der Altgesellschafter erzielt worden seien (Stempeltheorie). In der Folge seien dann aber sämtliche Einkünfte der GbR nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren (Abfärbetheorie).

Die Betriebsprüfung erweiterte im Hinblick darauf den Prüfungszeitraum auf die Gewerbesteuer für die Jahre 2008-2010 und erließ geänderte Feststellungsbescheide für die Jahre 2011-2013. Gleichzeitig erging an die neu eingetretene Gesellschafterin ein negativer Feststellungsbescheid, der besagte, dass sie für den Prüfungszeitraum 2011-2013 nicht als Mitunternehmerin der Gesellschaft anzusehen sei. Für die Jahre 2008-2013 ergingen erstmals Gewerbesteuermessbescheide.

 

Entscheidung

Die erhobenen Klagen gegen die Gewerbesteuermessbescheide der Streitjahre 2008-2010 waren begründet, während die Klagen gegen die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2011-2013 und die Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 2011-2013 als unbegründet zurückgewiesen wurden. Im Rahmen der Gewinnfeststellungsbescheide und der Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2011-2013 hat das Betriebsstättenfinanzamt nach der Überzeugung des Gerichts zutreffend die Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte qualifiziert.

Eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit konnte für die GbR nicht erfolgen, da die neu Eingetretene zwar zivilrechtlich Gesellschafterin, aber steuerrechtlich, aufgrund fehlender Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisikos nicht Mitunternehmerinnen der GbR war. Die neu eingetretene Gesellschafterin war weder am Vermögen noch am Erfolg beteiligt und erhielt lediglich eine feste Tätigkeitsvergütung, während der Gewinn der GbR ausschließlich den Altgesellschafter zugewiesen wurde. Die als Gewinnbeteiligung bezeichnete zusätzliche Zahlung ab 2011 hat nach der Auffassung des Gerichts eher die Funktion einer Gratifikation. Im Übrigen trug die neue Gesellschafterin in den Streitjahren keinerlei Haftungsrisiken. Das maximal beschränkte Mitunternehmerrisiko der neu eingetretenen Gesellschafterin wurde auch nicht durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative k...

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