Leitsatz

Eine vermögensverwaltend tätige Kapitalgesellschaft unterliegt vor ihrer Eintragung in das Handelsregister (sog. Vorgesellschaft) der Gewerbesteuer, wenn sie in dem Zeitraum zwischen Gründung und Handelsregistereintragung (vermögensverwaltende) Tätigkeiten entfaltet, die über den Kreis bloßer Vorbereitungshandlungen hinausgehen.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG, § 11 Abs. 1 GmbHG

 

Sachverhalt

Die klagende GmbH, die eigenes Vermögen (auch Immobilien) verwaltet, wurde mit notariellem Vertrag im Dezember 2010 errichtet (Sachgründung) und im Januar 2011 im Handelsregister eingetragen. Die beiden zu jeweils 50 % beteiligten Gesellschafter hatten ihre Geschäftsanteile an der M GmbH, an der sie ebenfalls zu je 50 % beteiligt waren, im Wege des Anteilstauschs zu Buchwerten gemäß § 21 UmwStG eingebracht. In der Gesellschafterversammlung der M GmbH Ende Dezember 2010 hat die Klägerin als Gesellschafterin eine Gewinnausschüttung beschlossen, die nach Abzug der KapESt und des SolZ einen Tag darauf ihrem Bankkonto gutgeschrieben wurde. Die Ausschüttung wurde für Darlehensvergaben im Gesellschafterkreis verwendet.

Das FA setzte für das Streitjahr einen Gewerbesteuermessbetrag fest (Ausschüttung als Gewerbeertrag). Das FG hat die Festsetzung aufgehoben (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.9.2015, 10 K 2178/12, Haufe-Index 9334479, EFG 2016, 1184).

 

Entscheidung

Der BFH hob das angefochtene Urteil auf und wies die Klage ab.

 

Hinweis

1. Es geht um den Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht, der unter dem Gesichtspunkt des einheitlichen Steuergegenstands "vorverlagert" sein und dann auch die Tätigkeit einer sog. Vorgesellschaft (Kapitalgesellschaft vor Handelsregistereintragung) treffen kann.

2. Obwohl eine GmbH erst mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht (§ 11 Abs. 1 GmbHG), unterliegt bereits die Vorgesellschaft, d.h. die Kapitalgesellschaft nach Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags (aber vor Eintragung), der Gewerbesteuer, wenn die Registereintragung nachfolgt und die Vorgesellschaft eine nach außen in Erscheinung tretende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen hat. Die in dieser Weise tätig gewordene Vorgesellschaft bildet (dann) mit der später eingetragenen Kapitalgesellschaft einen einheitlichen Steuergegenstand.

3. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb "stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften". Da die sachliche Steuerpflicht einer Kapitalgesellschaft (nach der Handelsregistereintragung) daher die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit umfasst, auch wenn die Voraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG) nicht vorliegen, muss dies mit Blick auf den einheitlichen Steuergegenstand (s. zu 2.) auch für eine geschäftliche Tätigkeit der Vorgesellschaft gelten. Dabei müssen die Voraussetzungen einer "originär" gewerblichen Tätigkeit nicht vorliegen.

Allerdings liegt eine die sachliche Steuerpflicht auslösende geschäftliche Tätigkeit nicht schon in solchen Tätigkeiten, die von der Vorgesellschaft entfaltet werden, um die in Gang gesetzte Gründung der juristischen Person abzuschließen. Solche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Gründung der Kapitalgesellschaft sind als Vorbereitungshandlungen anzusehen, die nach allgemeinen Grundsätzen für den gewerbesteuerrechtlichen Steuergegenstand noch nicht relevant sind. Dazu zählt z.B. die Einzahlung des Stammkapitals durch die Gründer auf ein für die dortige Gesellschaft eingerichtetes Bankkonto oder die verzinsliche Anlage des Stammkapitals.

4. Im Streitfall ging die Tätigkeit der Vorgesellschaft über diesen gründungsbezogenen Zusammenhang (Annahme und Sicherung bzw. wirtschaftliche Anlage der Gesellschaftereinlage) hinaus: Denn die Klägerin hatte als Gesellschafterin der im Zuge der Gründung eingebrachten GmbH einen Ausschüttungsbeschluss gefasst und anschließend die hierdurch erlangten Mittel im Darlehenswege an ihre Gesellschafter und nahestehende Personen ausgereicht. Indem sie ihre Gesellschafterstellung zum Zwecke der Ausschüttung und damit zur Liquiditätsverschaffung genutzt hat, hat sie auch gegenüber Außenstehenden eine ihrem Geschäftszweck (dem Halten und Verwalten eigenen Vermögens) entsprechende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen.

Der Ausschüttungsbeschluss ist auch keine einlagesichernde Maßnahme; er ist vielmehr Ausgangspunkt für die weitere satzungsmäßige Tätigkeit der Klägerin (Darlehensvergabe), mag sie sich auch tatsächlich (nur) auf Gesellschafter und nahestehende Personen beschränkt haben.

5. Dies bedeutet nicht, dass der Beginn der Gewerbesteuerpflicht bei einer rein vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft generell vorverlagert wird. Es ist allerdings danach zu unterscheiden, ob die vermögensverwaltenden Tätigkeiten durch die Gesellschaftsgründung veranlasst sind oder mit ihnen geschäftliche Tätigkeiten gegenüber Dritten aufgenommen wurden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.1.2017 – I R 81/15

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