Leitsatz

Auch bei Zahlungen, die ein Gesellschafter-Geschäftsführer auf die von der GmbH geschuldeten Löhne aus seinem eigenen Vermögen ohne unmittelbare Berührung der Vermögenssphäre der Gesellschaft und ohne dieser gegenüber dazu verpflichtet zu sein selbst erbringt, hat er dafür zu sorgen, dass die LSt einbehalten und an das FA abgeführt wird.

 

Normenkette

§ 69, § 34 AO, § 38 Abs. 3, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 35 Abs. 1 GmbHG

 

Sachverhalt

Der Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die in eine finanzielle Krise geraten war, beglich für zwei Monate die von der GmbH geschuldeten (Netto-)Löhne aus eigenen Mitteln; er zahlte unmittelbar an die Arbeitnehmer der GmbH. LSt und andere Abgaben führten weder er noch die GmbH an das FA ab. Als dieses in dem alsbald eröffneten Insolvenzverfahren mit ihren Steuerforderungen auszufallen drohte, nahm es den Geschäftsführer als Haftenden in Anspruch.

 

Entscheidung

Zu Recht, meint der BFH, sehe das FA den objektiven Tatbestand der Haftungsnorm verwirklicht. Denn ein Gesellschafter, der Schulden der Gesellschaft begleicht, stelle dadurch der Gesellschaft Mittel in einer Weise zur Verfügung, die es rechtfertige, die Gesellschaft steuerrechtlich genauso wie bei der entsprechenden Verwendung eigener Mittel zu behandeln. Nur weil der Geschäftsführer dies (damals noch) nicht habe wissen können, dürfe dieser mangels Verschuldens nicht in Anspruch genommen werden.

 

Hinweis

1. Der BFH hat bereits vor 20 Jahren beiläufig und ohne dies zu problematisieren geäußert, es spiele für die rechtliche Beurteilung von Lohnzahlungen an Arbeitnehmer einer GmbH keine Rolle, ob die dafür verwendeten Mittel einer GmbH zur Verfügung gestanden haben oder die Zahlung aus dem persönlichen Vermögen ihrer Gesellschafter erfolgt ist (BFH, Urteil vom 21.10.1986, VII R 144/83, BFH/NV 1987, 286). Später hat er dies dann aber wieder offen gelassen, nachdem das FG Düsseldorf in seinem wohl begründeten Urteil in EFG 1992, 240 den Geschäftsführer für von ihm selbst aus eigenen Mitteln gezahlte Löhne nicht auf die LSt hat haften lassen wollen.

Die dadurch entstandene Rechtsunsicherheit ist jetzt einem Geschäftsführer zugute gekommen: Er muss nicht haften, weil er sich ohne grobe Fahrlässigkeit in einem Rechtsirrtum befunden hat, indem er auf das FG Düsseldorf gesetzt hatte. Aber Vorsicht vor Verallgemeinerungen: Nicht jeder, der auf eine FG-Entscheidung vertraut, ist haftungsrechtlich ohne Schuld. Im Besprechungsfall kam vielmehr hinzu, dass sich der BFH, wie eben erwähnt, anscheinend selbst der Sache nicht ganz sicher war und das FG-Urteil immerhin sogar bei einem der beteiligten BFH-Richter in Klein"s AO-Kommentar auf wohlwollende Aufnahme gestoßen war.

2. Was den objektiven Teil des Haftungstatbestands angeht (und damit die zukünftige Behandlung der Dinge), ist jetzt klar: Der Geschäftsführer muss LSt und andere Abgaben auch dann an das FA abführen, wenn nicht die GmbH ihre Arbeitnehmer entlohnt, sondern er selbst aus eigenen Mitteln (etwa um die Gesellschaft durch solche Freigiebigkeit "zu retten").

3. Die Begründung für eine solche den Interessen des Fiskus weit entgegenkommende Ausdehnung des Haftungstatbestands fällt vielleicht weniger leicht, als es das BFH-Urteil glauben machen will. Denn unbeschadet aller Risiken, die damit für den Fiskus verbunden sind, ist es nun einmal so: Die GmbH ist eine eigene Rechtspersönlichkeit mit eigenem Vermögen und eigenen schuldrechtlichen Verpflichtungen, arbeitsrechtlichen wie steuerrechtlichen. Springt ein Dritter für diese Verpflichtungen ein, ist das grundsätzlich "seine Sache"; ihm wachsen dadurch nicht etwa irgendwelche Pflichten zu, welche die GmbH träfen, wenn sie dasselbe täte.

4. Das sieht im Ansatz offenbar auch der BFH so! Denn auch er scheint eine (eigene, originäre) Lohnsteuerabführungspflicht des Geschäftsführers aus § 41a Abs. 1 EStG zu verneinen. Er meint aber, wenn ein Gesellschafter Lohnschulden der Gesellschaft aus seinem eigenen Vermögen tilge, handle er stets in (allenfalls verdeckter) Vertretung der Gesellschaft. Denn "seine Leistungsbereitschaft beruhe auf dem Gesellschaftsverhältnis". Dies dürfte nicht nur nachvollziehbar, sondern in aller Regel lebensnah-zutreffend sein. Dass daraus ein "Vertretungsverhältnis" (wider Willen) werden soll, ist allerdings eine andere Sache. Man muss dafür wohl annehmen, aufgrund (ungeschriebener) Grundsätze des steuerlichen Haftungsrechts sei die zivilrechtliche Unterschiedenheit von Gesellschaft und Gesellschafter zu ignorieren.

5. Zahlt der Bürgermeister oder der Pfarrer die Löhne, muss er sicher auch nach Ansicht des BFH keine LSt einbehalten und "in Vertretung der GmbH" an das FA abführen. Anders hingegen wohl der nicht geschäftsführungsbefugte Mitgesellschafter. Und wie ist es, wenn die Ehefrau des Gesellschafters zahlt? Oder dessen Freundin? Oder seine Mutter, um dem start up unter die Arme zu greifen? Die Entscheidung lässt einen insofern ratlos zurück. Man darf auch gespannt sein, ob der BFH eine Vorran...

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