Rz. 125

Da es bei der Umstellung des Wirtschaftsjahres bei Gewerbetreibenden zu einer Steuerpause und damit einhergehend zu einem Steuerstundungseffekt kommen kann, verlangt der Gesetzgeber – damit die Umstellung nicht allein aus steuerlichen Gründen erfolgt – in § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG bei der Umstellung des Wirtschaftsjahres die Zustimmung des Finanzamts, sodass dieses Einvernehmenserfordernis insoweit als Missbrauchskontrolle dient.[1] Zwar wird § 42 AO durch das Zustimmungserfordernis aus § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStG nicht verdrängt, jedoch liegen die Voraussetzungen des § 42 AO i. d. R. nicht vor, wenn das Finanzamt der Umstellung zugestimmt hat; eine spätere Betrachtung als rechtsmissbräuchlich würde dem Grundsatz von Treu und Glauben zuwiderlaufen.[2] Liegt eine missbräuchliche Gestaltung vor, wird das Finanzamt die Zustimmung verweigern. Bei Land- und Forstwirten ist das Entstehen einer Steuerpause infolge der Umstellung des Wirtschaftsjahres nicht denkbar, weshalb der Gesetzgeber auch auf einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt in § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG verzichtet hat.[3]

 

Rz. 126

Grundsätzlich steht es dem Steuerpflichtigen frei, zu welchem Zeitpunkt er sein Wirtschaftsjahr erstmals beginnen lässt. Da aber auch die erstmalige Festlegung des Wirtschaftsjahres zu einer Steuerpause führen kann, ist auch dies im Hinblick auf Gestaltungsmissbrauch an § 42 AO zu messen.

 

Rz. 127

Die Festlegung des Wirtschaftsjahres durch Ausübung des Wahlrechts stellt an sich keinen Gestaltungsmissbrauch dar, und zwar auch dann nicht, wenn die Festlegung allein auf steuerlichen Gründen beruht.[4] Dies stützt sich auf den Umstand, dass der Gesetzgeber das Problem des Gestaltungsmissbrauchs erkannt hat und für den Fall der Umstellung des Wirtschaftsjahres bei Gewerbetreibenden die Zustimmung des Finanzamts fordert, ein entsprechendes Erfordernis bei der erstmaligen Festlegung des Wirtschaftsjahres jedoch nicht verlangt; damit nimmt der Gesetzgeber das Gestaltungspotenzial in diesen Fällen in Kauf, womit ein Gestaltungsmissbrauch bei der Wahl des Wirtschaftsjahres regelmäßig nicht anzunehmen ist.[5]

 

Rz. 128

Gleichwohl gewährt § 4a EStG dem Steuerpflichtigen kein uneingeschränktes Wahlrecht, sodass § 42 AO in besonderen Ausnahmefällen – bei unangemessenen Gestaltungen, die ausschließlich der Steuerminderung dienen und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht gerechtfertigt werden können – zum Tragen kommt;[6] dabei steht der Steuerminderung das Hinausschieben der Entstehung eines Steueranspruchs gleich.[7] Obwohl der Gesetzgeber das Gestaltungspotenzial bei der Wahl des Wirtschaftsjahres grundsätzlich hinnimmt, liegt demnach ein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn der Steuerpflichtige die Steuerpause durch Gestaltung verlängert, ohne dass hierfür außersteuerliche Gründe ersichtlich wären, sodass insoweit eine teleologische Reduktion von § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 1 EStG erfolgt, als die Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahres nur zulässig ist, wenn branchenspezifische oder andere betriebswirtschaftlich plausible Gründe dies untermauern.[8]

 

Rz. 129

Ein solcher Ausnahmefall stellt z. B. die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft mit abweichendem Wirtschaftsjahr dar, was nachstehendes Beispiel illustriert.

 

Beispiel[9]

Im Jahr 01 schlossen die Eheleute E einen Vertrag zur Gründung der E-OHG, deren Gegenstand das Erwerben und Verwalten von Beteiligungen ist. Die E-OHG übt selbst keine aktive Geschäftstätigkeit aus und ihr Wirtschaftsjahr läuft vom 1.2.–31.1. Mit einem weiteren Vertrag übertragen die Eheleute E ihre Beteiligung an der A-GmbH & Co. KG auf die E-OHG, wobei das Wirtschaftsjahr der A-GmbH & Co. KG vom 1.3.–28./29.2. läuft. Zwar gelten die im Wirtschaftsjahr 00/01 erwirtschafteten Gewinne bei der A-GmbH & Co. KG als im Jahr 01 erwirtschaftet, da das Wirtschaftsjahr der E-OHG jedoch erst im Jahr 02 endet, entsteht für die beteiligten Gesellschafter eine Steuerpause von einem Jahr.

Durch die Zwischenschaltung dieser weiteren Personengesellschaft – der E-OHG – wird die Steuerpause um ein weiteres Jahr verlängert, was missbräuchlich ist, sofern dafür keine außersteuerlichen Gründe ersichtlich sind.

 

Rz. 130

Ein weiterer Ausnahmefall liegt vor, wenn eine GmbH & Co. KG im Rahmen einer (mitunternehmerischen) Betriebsaufspaltung Grundbesitz an eine Schwesterpersonengesellschaft (Betriebsgesellschaft) vermietet und ohne außersteuerliche Gründe ihr Wirtschaftsjahr abweichend von dem der Betriebsgesellschaft festlegt, sodass eine Steuerpause eintritt.[10] Hier besteht die Besonderheit, dass sich die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehende Person oder Personengruppe mit einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen in beiden Unternehmen durchsetzt, wobei die beherrschende Person oder Personengruppe ihren Willen folgerichtig und widerspruchsfrei verwirklichen muss. Widersprüchlich und damit missbräuchlich ist es aber, wenn das Besitzunternehmen das Wirtschaftsjahr so wähl...

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