2.1 Allgemeines

Zweck der Gesamtschuldaufteilung nach den Vorschriften der §§ 268ff. AO[1] ist es, den einzelnen zusammenveranlagten Ehegatten im Fall der Vollstreckung nicht schlechter zu stellen als einen Einzelschuldner. Jeder Ehegatte kann beantragen, dass die Vollstreckung wegen der geschuldeten Einkommensteuer jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269278 AO bei einer Aufteilung der Steuern ergibt. Die Aufteilung lässt die Höhe der festgesetzten Steuer und die Gesamtschuld als solche unberührt.[2] Sie wird lediglich zum Zweck der Vollstreckung in "Teilschulden" aufgespalten.[3] Diesbezüglich kann in das gesamte Vermögen des jeweiligen "Teilschuldners" vollstreckt werden.

Zur rückständigen Steuer gehören gem. § 276 Abs. 4 AO auch die steuerlichen Nebenleistungen, also Säumniszuschläge, Zinsen und Verspätungszuschläge. Ist die rückständige Einkommensteuer bereits erloschen, sind sie alleiniger Gegenstand der Aufteilung.[4]

Gegen den Mittäter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung kann ein Haftungsbescheid nach § 71 AO ergehen, wenn wegen Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268, 278 AO gegen diesen nicht als Steuerschuldner vollstreckt werden kann.[5]

[1] Eine umfangreiche Darstellung der Gesamtthematik mit anschaulichen Beispielen (auf dem Stand: 11.3.2019) findet sich in der AO-Kartei Bayern zu § 268, Karte 1.

2.2 Antragserfordernis

Grundvoraussetzung für eine Aufteilung der Gesamtschuld ist ein entsprechender Antrag eines der beiden Ehegatten. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass das Finanzamt im Rahmen seines Auswahlermessens die Vollstreckung beschränken und auf die Belange des einzelnen Ehegatten Rücksicht nehmen kann. Auch der Ehegatte, der Gesamtrechtsnachfolger seines verstorbenen Ehepartners ist, kann eine Aufteilung der Steuern nach den §§ 268ff. AO beantragen.[1]

 
Wichtig

Rechtzeitiger Antrag

Die Vollstreckungsstellen richten sich eher nach Effektivitätsgründen und wählen den Weg, der mit dem geringsten Arbeitsaufwand zum Ziel führt. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig einen Aufteilungsantrag zu stellen.

Der Antrag ist erst zulässig, wenn der Gesamtschuldner ernsthaft mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen muss. Deshalb kann der Antrag frühestens nach Bekanntgabe des Leistungsgebots i. S. d. § 254 AO gestellt werden. Ein vorher gestellter Antrag wird nicht durch nachträgliche Bekanntgabe des Leistungsgebots geheilt. In der Praxis wird das Leistungsgebot gem. § 254 Abs. 1 Satz 2 AO i. d. R. mit dem Einkommensteuerbescheid verbunden. In diesen Fällen ist ein Aufteilungsantrag demnach bereits nach Bekanntgabe des Bescheids möglich, ohne dass die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abgewartet werden muss.[2]

 
Wichtig

Aufrechnungsverbot

Die Aufteilung einer Gesamtschuld hat nicht nur vollstreckungsrechtliche Bedeutung, sondern sie führt auch zu einer Aufrechnungsbeschränkung. Daraus folgt, dass jeder Ehegatte – unabhängig davon, ob die Zwangsvollstreckung wegen der Gesamtschuld eingeleitet ist oder droht – befugt sein muss, deren Aufteilung vor Einleitung der Vollstreckung (aber nach Bekanntgabe des Leistungsgebots) zu beantragen, um eine Aufrechnung des Finanzamts mit der Gesamtschuld ihm gegenüber auf den auf ihn entfallenden Aufteilungsbetrag zu beschränken.[3]

Eine spannende Frage ist, ob nach einem Aufteilungsantrag des einen Ehegatten das Finanzamt noch gegenüber dem anderen Ehegatten aufrechnen kann mit dem Ziel, die Gesamtschuld zum Erlöschen zu bringen und damit dem Aufteilungsantrag die Grundlage zu entziehen. Anders gefragt: Wird ein zulässiger Aufteilungsantrag durch eine spätere Aufrechnung oder Verrechnung gegenüber dem anderen Gesamtschuldner unzulässig? Der BFH hat die Frage verneint und im Streitfall der Klägerin, die mit ihrem rechtzeitigen Aufteilungsantrag vergeblich eine Erstattung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen gem. § 276 Abs. 6 Satz 2 AO begehrt hatte, Recht gegeben.[4]

Da nur eine rückständige Steuer aufgeteilt werden kann, ist ein Aufteilungsantrag zwar noch nach teilweiser, aber nicht mehr nach vollständiger Tilgung der Steuern zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Tilgung der Steuer im Wege der Aufrechnung durch das Finanzamt erfolgt ist. Hat also das Finanzamt – die Aufrechnungslage vorausgesetzt – die Aufrechnung vor dem Eingang des Aufteilungsantrags erklärt, kommt dieser zu spät, da die Aufrechnungserklärung unmittelbar zum Erlöschen des Steueranspruchs führt.[5]

Für den Aufteilungsantrag ist in § 269 Abs. 1 AO die Schriftform zwingend vorgesehen. Zulässig ist es auch, ihn elektronisch, insbesondere auch per E-Mail, zu stellen oder zur Niederschrift zu erklären. Der Antrag ist beim Wohnsitzfinanzamt einzureichen und muss gem. § 269 Abs. 2 Satz 3 AO alle für die Aufteilung erforderlichen Angaben enthalten, soweit ...

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