Leitsatz

1. Die nur für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.1990 zu erhebende Lohnsummensteuer und die Produktionsfondssteuer sind als Bestandteil der Steuerrate 1990 erst mit Ablauf des Kalenderjahrs 1990 entstanden. Damit ist der Eintritt der Festsetzungsverjährung nach der AO zu beurteilen.

2. Der die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO bewirkende Beginn einer Außenprüfung setzt Maßnahmen voraus, die für den Steuerpflichtigen i.S.d. §§ 193 ff. AO als Prüfungshandlungen erkennbar und geeignet sind, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen.

3. Eine Außenprüfung ist dann nicht mehr unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen nach Umfang und Zeitaufwand, gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff, erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Prüfungsergebnisse gezeitigt haben.

4. Die Wiederaufnahme einer unterbrochenen Außenprüfung erfordert nach außen dokumentierte oder zumindest anhand der Prüfungsakten nachvollziehbare Maßnahmen, die der Steuerpflichtige als eine Fortsetzung der Prüfung erkennen kann.

 

Normenkette

§ 171 Abs. 4 AO , §§ 193 ff. AO , Art. 97a § 2 Nr. 5 EGAO , § 3 HandwBestG DDR , § 13 HandwBestG DDR

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb in Potsdam von April 1990 bis zum 31.12.1991 ein Unternehmen als Einzelfirma. Die 1992 beim FA eingegangene Steuererklärung für 1990 führte zu erklärungsgemäßer Festsetzung der Steuerrate für 1990 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. 1996 ordnete das FA eine Betriebsprüfung an. Im Dezember erschien eines Tages die Prüferin bei der vom Kläger beauftragten Steuerberatungskanzlei. Nach einem informativen Gespräch mit einer Mitarbeiterin derselben beschäftigte sie sich dort bis zum Nachmittag mit den ihr vorgelegten Akten, stellte in ihrer Handakte einige betriebliche Daten zusammen und vermerkte: "Beginn der Betriebsprüfung ..., am heutigen Tag konnten keine Kostenbelege vorgelegt werden (Herr X. sucht noch)." Weitergeführt wurde die Betriebsprüfung erst im August 1997.

Gegen den Steueränderungsbescheid von 1998, mit dem die Steuerrate für 1990 unter Berücksichtigung der im Erstbescheid nicht enthaltenen Produktionsfondssteuer und Lohnsummensteuer festgesetzt wurde, wurde Festsetzungsverjährung eingewandt.

 

Entscheidung

Mit Erfolg! Der BFH erkannte, die Festsetzungsfrist sei durch die Außenprüfung nicht gehemmt worden. Die Festsetzungsfrist habe infolge der Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Erklärung für die Steuerrate 1990 im September 1992 mit Ablauf des 31.12.1992 begonnen und nach vier Jahren am 31.12.1996 geendet. Eine Ablaufhemmung sei nicht eingetreten, weil die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn aus Gründen, die das FA zu vertreten habe, für eine Dauer von mehr als sechs Monaten unterbrochen worden sei.

Für den Beginn der Prüfung genüge es, dass die Prüferin die Unterlagen vor Ort nicht nur gesichtet, sondern fehlende Unterlagen angefordert habe. Dem stehe auch nicht entgegen, dass nach den Prüfungsanordnungen am gleichen Tag mit der Prüfung für zwei weitere Firmen begonnen worden ist, weil diese in engen steuerrechtlich bedeutsamen Beziehungen zu dem zu prüfenden Einzelunternehmen gestanden hätten und sich die Frage der Betriebsaufspaltung gestellt habe; die zum selben Zeitpunkt und am selben Ort vorgesehenen Prüfungen seien folglich für alle Prüfungsbereiche schon damit begonnen, dass Ermittlungshandlungen für einen dieser Bereiche vorgenommen wurden (vgl. BFH, Urteil vom 10.8.1989, III R 5/87, BStBl II 1990, 38). Es habe sich auch nicht nur um "Scheinhandlungen" gehandelt, wie die sorgfältige Prüfungsvorbereitung erkennen lasse.

Die Prüfung sei jedoch unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden, wobei der Aufwand für die Prüfungsvorbereitung für diese Bewertung belanglos sei. Eine rechtzeitige Wiederaufnahme der Prüfung liege nicht darin, dass die Prüferin sich immer wieder einmal mit der Prüfungsakte befasst habe; denn insoweit, so meint der BFH, fehle es "an der Nachprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit".

 

Hinweis

1. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch wie die sog. "Jahressteuerrate" 1990 im Beitrittsgebiet richtet sich, soweit dieser nach dem 3.10.1990 entstanden ist, nach der AO (Art. 97a § 2 Nr. 5 EGAO).

2. Eine Ablaufhemmung durch Beginn einer Außenprüfung tritt nur ein, wenn – erstens – eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wird und – zweitens – tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen werden. Dafür genügt es nicht, dass der Prüfer erscheint und die Prüfungsanordnung übergibt. Erst Handlungen zur Ermittlung des Steuerfalls lassen die Prüfung beginnen, wobei allerdings irgendwelche Handlungen mit diesem Ziel ausreichen, z.B. auch bloße informative Gespräche, das Verlangen nach Belegen und Unterlagen oder Auskünften, ja sogar bloßes Aktenstudium im Finanzamt (BFH, Urteil vom 11.10.1983, VIII R 11/82, BStBl II 1984, 125). Prüfungsergebnisse sind zur Annahme des Beginns ...

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