2.1 Grundsätzliche Anerkennung des Nießbrauchs als Instrument zur Übertragung der Einkunftsquelle im Steuerrecht

 

Rz. 26

In der Praxis hat insbesondere die unentgeltliche Nießbrauchsbestellung zugunsten Angehöriger eine weite Verbreitung gefunden. Zu unterscheiden ist zwischen einem Vorbehaltsnießbrauch, dessen Namensgebung darauf zurückzuführen ist, daß ein Wirtschaftsgut auf einen anderen in der Weise übertragen wird, daß der Übertragende sich daran das Nießbrauchsrecht vorbehält, und einem Zuwendungsnießbrauch, bei dem sich die Eigentumsverhältnisse an dem belasteten Wirtschaftsgut nicht ändern, dem Nießbrauchsberechtigten aber eine eigene Einkunftsquelle verschafft werdern soll.

2.2 Motive für die Nießbrauchseinräumung

 

Rz. 27

Zur Bestellung eines Zuwendungsnießbrauchs werden die Steuerpflichtigen heute in erster Linie dadurch motiviert, daß sie die Steuerprogression durch Übertragung von Einkunftsquellen zu mildern suchen. Dieser im Fachjargon als "Familiensplitting" bekannte Effekt wird dadurch erzielt, daß hochbesteuerte Eltern Vermögensgegenstände zugunsten ihrer nicht oder niedrig besteuerten Kinder oder anderer naher Angehöriger mit einem Nießbrauch belasten und damit die Einkunftsquelle übertragen. Unter Berücksichtigung des Doppelfreibetrages der Einkommensteuer-Grundtabelle sowie von Pauschbeträgen im Rahmen der Einkunftsermittlung wie auch im Rahmen der Einkommensermittlung sowie von Tariffreibeträgen ergeben sich erhebliche Steuervorteile. Dabei ist jedoch vor übereilten Gestaltungen zu warnen, weil durch die Quellenübertragung auch steuerliche Nachteile ausgelöst werden können. So würde ein in Ausbildung befindliches Kind durch die Quellenübertragung z. B. über eigene Einkünfte im Sinne des § 33a Absatz 2 Satz 2 EStG verfügen, was zu einer Kürzung des Ausbildungsfreibetrages der Eltern führen könnte. In Verlustjahren würde sich ein Steuereffekt unter Umständen gar nicht erreichen lassen.

Vorbehaltsnießbrauchsgestaltungen sind insbesondere im Zusammenhang mit vorweggenommenen Erbfolgeregelungen anzutreffen.

2.3 Anerkennung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung

 

Rz. 28

Nießbrauchsgestaltungen sind vom BFH in ständiger Rechtsprechung anerkannt worden. Bahnbrechend und bis heute maßgebend sind die Urteile des BFH vom 29.11.1983 (VIII R 215/79, BStBl II 1984, 366; VIII R 184/83, BStBl II 1984, 371 sowie vom 23.10.1984, IX R 48/80, BStBl II 1985, 453). In dieser Urteilskette hat der BFH — abweichend von seiner früheren Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis — den Nutzungswert einer ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung dem Nutzenden zugerechnet, wenn dieser eine gesicherte Rechtsposition innehatte. Damit hat der BFH einen gewissen Schlußstrich unter die jahrelange Entwicklung seiner Rechtsprechung gesetzt. Er hat Nutzungsrechte aller Art dann anerkannt, wenn der Nutzungsberechtigte in seiner Person den Tatbestand der Einkommensart Vermietung und Verpachtung erfüllte.

2.4 Auffassung der Finanzverwaltung

 

Rz. 29

Unter dem 24. Juli 1998 hat der BMF das Schreiben betreffend die einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs und anderer Nutzungsrechte bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (3. Erlaß) veröffentlicht[1]. Der 3. Erlaß löst das BMF-Schreiben v. 15.11.1994[2] mit Wirkung für alle noch offenen Fälle ab, soweit es die einkommensteuerliche Behandlung des Nießbrauchs bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung betrifft. Hinsichtlich der einkommensteuerlichen Behandlung des Nießbrauchs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gelten weiterhin die Rz. 55 bis 59 und 63 bis 65 des BMF-Schreibens v. 23.11.1983[3].

Der neueste Erlaß der Finanzverwaltung (3. Erlaß) war aufgrund schon einige Jahre zurückliegender gesetzlicher Änderungen und geänderter BFH-Rechtsprechung aus neuerer Zeit erforderlich geworden. Grundlegende Änderungen haben sich für Vermächtnisnießbrauchsfälle ergeben. Ferner ist die Verwaltung voll auf die vom BFH vorgegebene Gleichstellung von obligatorischen und dinglichen Vorbehaltsnutzungsrechten eingeschwenkt, wonach auch der obligatorische Vorbehaltsnutzungsberechtigte AfA aufgrund des sogenannten Nettoprinzips in Anspruch nehmen kann. Darüber hinaus liegt inzwischen zur steuerrechtlichen Behandlung der Ablösung von Nutzungsrechten gegen wiederkehrende und Einmalzahlungen eine umfangreiche Rechtsprechung vor, die nicht unerheblich von der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung abweicht und die in den neuen Erlaß eingearbeitet worden ist[4].

[1] BStBl I 1989, 914.
[2] 2. Erlaß; BStBl I 1984, 561.
[3] 1. Erlaß; BStBl I 1983, 508.

2.5 Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ab Vz 1987

 

Rz. 30

Eine wichtige Änderung der Behandlung des Nießbrauchs und des Wohnrechts hat sich durch den Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ab Veranlagungszeitraum 1987 ergeben. Von dem Veranlagungszeitraum 1987 ab fällt nämlich die Nutzungswertbesteuerung — von Übergangsregelungen abgesehen — insgesamt weg, wie sie früher geregelt war für die Wohnung im eigenen Haus[1] und für eine dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassene Wohnung (§ 21 Abs. 2 2. Alternative EStG a. F.).

Von der neuen Regelung werden E...

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