Rz. 195

Der stille Gesellschafter i. S. v. § 230 HGB erzielt regelmäßig Einkünfte aus Kapitalvermögen; § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 Halbs. 2 EStG erwähnt aber auch den Ausnahmefall, der eine andere Beurteilung erfordert, wenn "… der Gesellschafter oder Darlehensgeber als Mitunternehmer anzusehen ist." Damit wird an dieser Stelle – ähnlich wie in § 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG – der atypisch stille Gesellschafter angesprochen. Dieser erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil seine Beteiligung stets an einem Handelsgewerbe besteht. Die atypisch stille Gesellschaft ist, auch wenn sie nach außen nicht als Gesellschaft erkennbar wird (Innengesellschaft), einerseits Personengesellschaft i. S. v. § 705 BGB, andererseits eine "andere" Personengesellschaft i. S. v. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Begründet wird diese vom Zivilrecht abweichende Wertung im Wesentlichen damit, dass der Gesellschafter aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen wie ein Gesamthänder gestellt wird und quasi die Rechtsposition eines Kommanditisten erhält.

 

Rz. 195a

 
  typisch stille ­Gesellschaft atypisch stille ­Gesellschaft
Beteiligung am Gewinn und Verlust Ja, aber eventuell ­eingeschränkt bei ­Verlusten Ja
Beteiligung an den stillen Reserven (Vermögen, Firmenwert) Nein Ja
Qualifikation der ­Einkünfte § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Kapitalüberlassung steht im Vordergrund) § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG (Mitunter­nehmerschaft)
Abgeltungsteuer Ja, ausgenommen § 32d Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG (z. B. bei nahe­stehenden Personen)

Nein,

Einkünfte werden zum individuellen ESt-Tarif besteuert
Weitere Verträge mit der ­Gesellschaft Qualifikation der Einkünfte entsprechend dem Vertrag Sondervergütungen (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG)
 

Rz. 196

Der BFH hat einige grundlegende Abgrenzungskriterien (§ 15 EStG Rz. 364f.) herausgearbeitet, wobei er von den allg. Merkmalen für die Anerkennung von Mitunternehmerschaften ausgegangen ist. Danach besteht eine atypisch stille Beteiligung und damit ertragsteuerlich eine Mitunternehmerschaft, wenn der stille Gesellschafter (s. a. § 15 EStG Rz. 366)

  • nach der Gesamtwürdigung Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann,
  • vergleichbare Rechte und Befugnisse wie ein Kommanditist besitzt, wenn ihm also die Rechte gem. der §§ 164, 166 HGB – zumindest aber die Kontrollrechte des § 166 HGB – zustehen,
  • am laufenden Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven einschließlich des Firmenwerts beteiligt ist.

Eine stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative kann ein schwach ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko kompensieren und umgekehrt.[1]

 

Rz. 196a

Die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven samt Firmenwert muss im Regelfall vereinbart sein. Eine lediglich vorübergehende Teilhabe am Geschäftswert reicht dagegen nicht aus.[2] Ausnahmsweise ist die Beteiligung an den stillen Reserven entbehrlich, wenn der stille Gesellschafter zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH ist und kraft dieser Stellung wie ein Unternehmer Einfluss nehmen kann auf das Schicksal des Unternehmens.[3]

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