8.1 Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (§ 6b Abs. 4 S. 1 Nr. 1)

 

Rz. 96

Die Inanspruchnahme der Begünstigung nach § 6b EStG setzt voraus, dass der Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt wird. Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 oder § 13a EStG kommt § 6b EStG nicht in Betracht. In derartigen Fällen kann der Veräußerungsgewinn nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 6c EStG übertragen werden.[1] Bei einem Wechsel von der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gem. § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG zur Gewinnermittlung durch Überschussrechnung oder nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) kommt es deshalb nur noch in Ausnahmefällen (§ 5a Abs. 5 S. 3 EStG, Übergang zur Gewinnermittlung nach der Tonnage; s. § 5a EStG Rz. 78) zur Auflösung von Rücklagen. Im Übrigen bedeutet der Wechsel gleichzeitig einen Wechsel von § 6b EStG zu § 6c EStG (R 6b.2 Abs. 11 EStR 2012).[2]

 

Rz. 97

Wird die Bilanz wegen Verstößen gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung verworfen und der Gewinn gem. § 162 AO geschätzt, so führt dies nicht ohne Weiteres zur Versagung der Übertragung nach § 6b EStG, sofern die Verfolgbarkeit in der Buchführung gegeben ist (Rz. 99). Das gilt grundsätzlich auch bei einer Vollschätzung, wenn die Buchführung so beschaffen ist, dass die Veräußerung und die Übertragung bzw. Bildung der Rücklage verfolgt werden können.[3] Es muss aber eine Bilanz vorliegen, denn sonst kann das Wahlrecht zwischen Übertragung und Rücklage nicht ausgeübt werden.[4] Die bloße Verbuchung auf einem Konto ist als eine Maßnahme, die den Bilanzausweis lediglich vorbereitet, unzureichend.[5] Liegt in einem Folgejahr eine Bilanz nicht vor und kommt es zur Schätzung, muss die Rücklage in diesem Wirtschaftsjahr gewinnerhöhend aufgelöst und der Betrag in Höhe der Rücklage im Rahmen der Schätzung berücksichtigt werden (R 6b.2 Abs. 4 EStR 2012); s. dazu aber Rz. 146.

 

Rz. 98

Wird der Veräußerungsgewinn auf ein Reinvestitionsgut übertragen, das sich in einem anderen Betrieb des Stpfl. befindet, muss dieser Betrieb ebenfalls den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln. Im Fall der Rücklagenbildung muss der Reinvestitionsbetrieb spätestens in dem Wirtschaftsjahr den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, in dem der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionsguts vorzunehmen ist. Ermittelt der Reinvestitionsbetrieb den Gewinn nicht durch Bestandsvergleich, ist die Übertragung der stillen Reserven nur unter den Voraussetzungen des § 6c EStG möglich.

[1] Schießl, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 6b EStG Rz. 121.
[2] Schießl, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 6b EStG Rz. 122.
[3] So auch Marchal, in H/H/R, EStG/KStG, § 6b EStG Rz. 115; Loschelder, in Schmidt, EStG, 2023, § 6b EStG Rz. 66.
[5] Bordewin, RWP 1990/1194 SG 1.3, 3292.

8.2 Verfolgbarkeit in der Buchführung (§ 6b Abs. 4 S. 1 Nr. 5)

 

Rz. 99

Für die Verfolgbarkeit in der Buchführung ist nicht Voraussetzung, dass diese den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht. Auch eine verspätete Bilanzerstellung steht der Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG nicht entgegen, solange die geforderten Daten aus den Anlagen zur Bilanz nachvollzogen werden können.[1] Die erforderliche Dokumentation kann auch noch nachträglich, z. B. während eines finanzgerichtlichen Verfahrens, geschaffen werden.[2] In der Bilanz dürfen Rücklagen nach § 6b Abs. 3 EStG in einem Posten zusammengefasst, müssen aber in der Buchführung im Einzelnen nachgewiesen werden (R 6b.2 Abs. 3 EStR 2012). Werden mehrere Bilanzpositionen entgegen dem Grundsatz der Einzelbewertung als Einheit angesehen, muss bei einer späteren Übertragung einer Rücklage auf eines dieser Wirtschaftsgüter (z. B. eines Flurstücks zugekaufter Grundstücksflächen) in der ersten Bilanz nach der Übertragung deutlich werden, auf welches Flurstück die Rücklage übertragen werden soll, ansonsten liegt eine nur anteilige Übertragung auf alle als Einheit behandelten Wirtschaftsgüter vor.[3]

 

Rz. 99a

Eine weitere Voraussetzung folgt aus der Änderung des Maßgeblichkeitsprinzips des BilMoG[4]: Gem. § 5 Abs. 1 S. 2 EStG ist Voraussetzung für die Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wie das nach § 6b EStG, dass Wirtschaftsgüter, deren Ansatz und Wert in der Steuerbilanz von der Handelsbilanz abweichen, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden (Einzelheiten s. § 5 EStG Rz. 62h ff.).

 

Rz. 100

Die Verfolgbarkeit bedeutet, dass die wesentlichen Daten für die Anwendung des § 6b EStG aus der (nicht notwendig ordnungsgemäßen) Buchführung ersichtlich sein müssen. Es handelt sich hierbei um den Buchwert des veräußerten Wirtschaftsguts, die Veräußerungskosten, den Veräußerungserlös (Wert der Gegenleistung) sowie die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Reinvestitionsguts. Darüber hinaus müssen die notwendigen Buchungsvorgänge ersichtlich sein, so z. B. die Buchung des Abzugsbetrags bzw. der Bildung und Auflösung der Rücklage. Da die im Fall des § 6b Abs. 10 S. 5 EStG gebildete Rücklage teilweise aus einem steuerfreien Gewinnanteil besteht, muss auch die besondere rechtliche Q...

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