Rz. 78

Die Begünstigung des § 6b EStG setzt voraus, dass innerhalb bestimmter Fristen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 6b Abs. 1 S. 2 EStG angeschafft oder hergestellt werden. Das neu angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut muss das veräußerte Anlagegut nicht tatsächlich ersetzen. Einen derartigen Zusammenhang verlangt der Tatbestand des § 6b EStG ebenso wenig wie eine Verwirklichung des Gesetzeszwecks im Übrigen (etwa eine Umstrukturierung des Unternehmens). Mit dem StEntlG 1999/2000/2002 ist auch der Kreis dieser Reinvestitionsobjekte erheblich eingeschränkt worden und nunmehr (bis auf den Sonderfall der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen; s. dazu Rz. 55) mit der Gruppe der begünstigten Veräußerungsobjekte identisch. Wie diese werden auch die Reinvestitionsobjekte abschließend aufgezählt.

Für die Übertragung des Gewinns aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern i. S. d. § 6b Abs. 1 S. 1 EStG auf die begünstigten Reinvestitionsgüter bestehen in zeitlicher Hinsicht und der Höhe nach mehrere Wahlmöglichkeiten:

  • Im Wirtschaftsjahr der Veräußerung kann der Veräußerungsgewinn ganz oder teilweise auf ein in demselben Jahr oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr angeschafftes oder hergestelltes Reinvestitionsgut übertragen oder in eine Rücklage eingestellt werden. Soweit der Veräußerungsgewinn weder übertragen noch in eine Rücklage eingestellt wird, unterliegt er im Wirtschaftsjahr der Veräußerung als laufender Gewinn der Besteuerung.
 

Rz. 79

  • Soweit eine Rücklage gebildet worden ist, ist diese spätestens am Schluss des vierten Wirtschaftsjahres nach ihrer Bildung wieder aufzulösen. Da Rumpfwirtschaftsjahre als volle Wirtschaftsjahre im Rahmen des § 6b Abs. 3 EStG mitzählen[1], verkürzen sie den Übertragungszeitraum.

In bestimmten Fällen verlängert sich diese Frist auf 6 Jahre.[2] Die Rücklage ist schon vorher aufzulösen, wenn und soweit von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten begünstigter Reinvestitionsgüter ein Abzug nach § 6b Abs. 3 S. 2 EStG vorgenommen wird. Innerhalb dieser Grenzen kann die Rücklage ganz oder teilweise auch schon früher aufgelöst werden. Eine Verpflichtung, die Rücklage später auf ein begünstigtes Reinvestitionsgut zu übertragen, besteht nicht. Ob die Bildung einer Rücklage voraussetzt, dass die Absicht der Betriebsfortführung besteht, ist streitig. Vor der Anschaffung oder Herstellung eines Reinvestitionsguts darf eine Rücklage nach § 6b EStG allerdings nicht auf einen anderen Betrieb des Stpfl. übertragen werden. Erst wenn der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionswirtschaftsguts des anderen Betriebs vorgenommen wird, kann ein Veräußerungsgewinn, der in eine Rücklage nach § 6b EStG eingestellt worden ist, in einen anderen Betrieb des Stpfl. überführt werden.[3] Die Übertragung einer Rücklage ohne Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines (Reinvestitions-)Wirtschaftsguts kommt nicht in Betracht, denn die Rücklage nach § 6b EStG ist kein (einlagefähiges) Wirtschaftsgut und kann deshalb auch nicht nach § 6b Abs. 5 S. 1 EStG übertragen werden (R 6b.2 Abs. 8 EStR 2012).[4]

[1] FG Bremen v. 30.6.1994, 1 90 130 K 1, EFG 1995, 471.
[2] FG München v. 14.2.2017, 6 K 214/16, EFG 2017, 643.
[3] BFH v. 22.11.2018, VI R 50/16, BFH/NV 2019, 324; Adrian, StuB 2019, 305; Müller/Dorn, NWB 2019, 856.
[4] BFH v. 27.9.2023, IV R 8/21, BFH/NV 2024, 221: Für die Annahme einer "Quasi-Einlage" bestehe weder eine Rechtsgrundlage noch ein Bedürfnis.

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