10.2.1 Allgemeines

 

Rz. 97

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 HGB "die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können". Auch H 6.2 EStH 2021 verweist auf diese Definition.

Dem Anschaffungskostenprinzip liegt der Gedanke zugrunde, dass der Anschaffungsvorgang selbst gewinnneutral ist. Infolge der Aktivierung der Anschaffungskosten ergeben sich aus dem Anschaffungsvorgang weder Gewinne noch Verluste; diese können erst in einem zweiten Schritt, der nicht mehr zum Anschaffungsvorgang gehört, entstehen, z. B. durch AfA auf den Kaufpreis. Daraus folgt, dass auch Minderungen der Anschaffungskosten nicht gewinnwirksam sein können. Leistet der Veräußerer eine Zuzahlung ("negative Anschaffungskosten"), kann diese bei dem Erwerber daher nicht zu einem Gewinn führen. Vielmehr ist der Vermögenszugang bei dem Erwerber durch einen passiven Ausgleichsposten zu neutralisieren.[1]

 

Rz. 98

Dementsprechend hatte die Rspr. schon vor der Schaffung des § 255 HGB aufgrund des Bilanzrichtliniengesetzes v. 19.12.1985[2] Anschaffungskosten als die Summe der Kosten definiert, die der Erwerber eines Wirtschaftsguts tätigt, um das Wirtschaftsgut von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht zu überführen.[3] Ein zeitlicher und kausaler Zusammenhang ist für die Annahme von Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht ausreichend.[4] Anders kann bei Anschaffungsnebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten eine kausale Verursachung ausreichen.[5] Maßgeblich ist aufgrund des "finalen Anschaffungskostenbegriffs" die Zweckbestimmung, durch die die Aufwendungen veranlasst sind. Keine Erwerbskosten sind demgegenüber infolge eines bloßen mittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs z. B. Finanzierungskosten[6]; ebenso Vorauszahlungen für ein gekauftes, aber noch nicht übergebenes Wirtschaftsgut.[7]

10.2.2 Anschaffungsvorgang

 

Rz. 99

Dem Anschaffungsvorgang können ein Kauf, eine Werklieferung, ein Tausch – insbesondere eine Sacheinbringung – oder eine Schenkung zugrunde liegen. Der Anschaffungsvorgang muss nicht zeitpunktbezogen sein, sondern kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Ein Wirtschaftsgut ist angeschafft, mit der Folge, dass es beim Erwerber zu bilanzieren ist, sobald dieser die wirtschaftliche Verfügungsmacht, also zumindest das wirtschaftliche Eigentum erlangt hat.[1]§ 246 Abs. 1 S. 2 HGB stellt für die Bilanzierung eines Vermögensgegenstands auf das rechtliche Eigentum ab, gibt jedoch, wie das Steuerrecht, bei Auseinanderfallen von rechtlichem und wirtschaftlichen Eigentum dem wirtschaftlichen Eigentum den Vorrang. Für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist der Zeitpunkt des Gefahrenübergangs maßgebend. Die bloße Inbetriebnahme z. B. während eines Probebetriebs genügt nicht.[2] Sind Veräußerer, Erwerber und Gläubiger übernommener Verbindlichkeiten nahe Angehörige, so können ein Anschaffungsgeschäft und Anschaffungskosten nur angenommen werden, wenn der Kauf rechtswirksam vereinbart ist sowie Inhalt und Durchführung des Vertragsverhältnisses dem unter Fremden Üblichen entsprechen, also einem Fremdvergleich standhalten. Anderenfalls kann es sich um eine verschleierte Schenkung oder um einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten handeln. Im Rahmen des Fremdvergleichs ist die Gesamtheit der objektiven Umstände zu würdigen.[3] Mit einer Veräußerung bzw. einer Anschaffung kann eine Einbringung i. S. v. § 24 UmwStG verbunden sein.

 

Rz. 99a

Noch nicht zum Anschaffungsvorgang gehören mangels eines konkreten wirtschaftlichen Zusammenhangs Aufwendungen, die angefallen sind, bevor der Stpfl. endgültig den Entschluss gefasst hat, das Wirtschaftsgut zu erwerben. Derartige Aufwendungen sind sofort als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar.[4]

Allerdings wird die Frage, wann ein Erwerbs-Entschluss als gefasst anzusehen ist, kontrovers diskutiert. Dem BFH wurde eine Entscheidung dazu noch nicht abverlangt. Er hat zwar mehrfach über die Frage der sofortigen Abziehbarkeit von Kosten geurteilt, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften angefallen waren, allerdings betrafen diese nicht den Bereich der Gewinneinkünfte, sondern die Überschusseinkünfte. Jedoch beziehen sich alle Urteile bei der Definition des Anschaffungskostenbegriffs auf den § 255 Abs. 1 HGB. Im Umkehrschluss könnte daraus abzuleiten sein, dass die grundsätzlichen Aussagen zum Anschaffungsvorgang auch auf die Gewinneinkünfte anzuwe...

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