Rz. 84

Im Fall des § 50i Abs. 2 EStG liegt nach Auffassung des Gesetzgebers ebenfalls eine unechte Rückwirkung vor.[1] Es könne bereits kein schutzwürdiges Vertrauen entstanden sein, da der § 50i EStG lediglich die einmalige Besteuerung der stillen Reserven sicherstellen soll. Der Stpfl. habe nicht auf die Nichtbesteuerung aufgedeckter stiller Reserven vertrauen können.

 

Rz. 85

Die nach § 50i EStG für den Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme vorgesehene Besteuerung lässt sich aber möglicherweise durch entsprechend gestaltete Umwandlungen oder Einbringungen, die nach dem Wegzug ins Ausland durchgeführt werden, ausschließen. Der neue § 50i Abs. 2 EStG soll diese Lücke schließen. Die spätere nachgelagerte Besteuerung von Veräußerungsgewinnen (Besteuerungsaufschub) war gerade die entscheidende Geschäftsgrundlage für die vorher unterbliebene Besteuerung stiller Reserven. Diese beiden steuerlichen Bewertungen standen in untrennbarem systematischem Zusammenhang. Eine Umgehung der nachgelagerten Besteuerung wird daher als rechtsmissbräuchlich angesehen.[2]

 

Rz. 86

Ferner gehe – so die Gesetzesbegründung[3] – in diesen Fällen bei der Abwägung zwischen dem (behaupteten) gestörten Vertrauen des Stpfl. in die Rechtslage und dem öffentlichen Interesse Letzteres an einer gesicherten Besteuerung der Veräußerungsgewinne aus steuerfreien Übertragungen oder Überführungen von Wirtschaftsgütern oder Anteilen, die vor dem 29.6.2013 stattgefunden haben, vor.

 

Rz. 87

Die Neuregelung gilt ab dem Vz 2014 (§ 52 Abs. 48 S. 4 u. 5 EStG) und ist daher auf Grundlage der ständigen Rspr. des BVerfG als (zulässige) unechte Rückwirkung einzustufen. Im Steuerrecht liegt eine echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert.[4] Für den Bereich des ESt-Rechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Vz jedenfalls in formaler Hinsicht der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 AO i. V. m. § 36 Abs. 1 EStG entsteht die ESt erst mit dem Ablauf des Vz, d. h. des Kj. (§ 25 Abs. 1 EStG).[5] Entsprechendes gilt für Veranlagungen zur KSt (§ 30 Nr. 3 KStG).

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