Rz. 214

Weitere Fälle dieser Art können vorliegen, wenn der ausl. Staat die Personengesellschaft als Kapitalgesellschaft besteuert (z. B. Spanien; mittel- und osteuropäische Staaten). Dann kann eine Veräußerung der Beteiligung an der Personengesellschaft durch einen unbeschränkt Stpfl. zur Nichtbesteuerung des Veräußerungsgewinns führen. Die Bundesrepublik sieht den Veräußerungsgewinn als Teil der Einkünfte aus der Personengesellschaft an, für die das Betriebsstättenprinzip nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA gilt, und würde daher die Freistellungsmethode anwenden. Der ausl. Staat würde die Einkünfte als Einkünfte aus der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung qualifizieren, für die nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA regelmäßig der Ansässigkeitsstaat (also die Bundesrepublik) das Besteuerungsrecht hätte.[1] Damit liegt ein Qualifikationskonflikt durch die Anwendung des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA einerseits und des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA andererseits vor, der zur Anwendung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG führt.

 

Rz. 215

Ein weiterer Fall eines Qualifikationskonflikts wäre die Behandlung einer atypischen stillen Gesellschaft, bei der die Bundesrepublik zu einer Qualifikation als Mitunternehmerschaft und damit als (ausländische) Betriebsstätteneinkünfte kommt und daher die Freistellungsmethode anwendet, während der Quellenstaat die Einkünfte als Zinsen qualifiziert und daher nur ein beschränktes Quellensteuerrecht in Anspruch nimmt.[2]

 

Rz. 216

Ein weiteres Beispiel bildeten Einkünfte aus einer ausl. vermögensverwaltenden Personengesellschaft, die die Finanzverwaltung der Bundesrepublik aufgrund gewerblicher Prägung als gewerbliche Einkünfte einstuft. Die Bundesrepublik als Staat der unbeschränkten Steuerpflicht des Gesellschafters würde ausgehend von dem nationalen Recht Art. 7 OECD-MA und daher das Betriebsstättenprinzip und die Freistellungsmethode anwenden, während der ausl. Quellenstaat Einkünfte aus Zinsen, Dividenden o. Ä. annehmen und daher nur ein beschr. Steuerrecht in Anspruch nehmen würde. Dieser Fall führt jedoch nicht mehr zu einem Qualifikationskonflikt, nachdem der BFH das nationale Recht nicht auf die DBA hat "durchschlagen" lassen und die Ansicht, eine gewerbliche Prägung einer originär vermögensverwaltenden Personengesellschaft führe zur Anwendung des Art. 7 OECD-MA, zurückgewiesen hat.[3] Die Finanzverwaltung hat diese Ansicht übernommen.[4] Das gilt auch für die gewerblichen Einkünfte einer Besitz-Personengesellschaft. Da nunmehr auch Deutschland, wie auch der Quellenstaat, je nach Lage des Falles, Art. 6, 1013, 15 oder 21 OECD-MA anwendet, nicht Art. 7 OECD-MA, liegt kein Qualifikationskonflikt mehr vor. § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG ist auf diese Fälle nicht anwendbar, und zwar selbst dann nicht, wenn der Quellenstaat die Einkünfte aus anderen Gründen als eines Qualifikationskonflikts nicht besteuert.

 

Rz. 216a

Anwendbar kann die Vorschrift auch bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung sein, wenn beteiligte Gesellschafter oder Vermögensteile im Inland belegen sind.[5] Sind in diesem Fall die Voraussetzungen einer steuerneutralen Umwandlung nicht erfüllt, und nimmt der ausl. Staat infolge einer abweichenden Einkünftequalifikation das ihm nach deutscher Auffassung zustehende Besteuerungsrecht nicht in Anspruch, ist Abs. 9 S. 1 Nr. 1 anwendbar. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Besteuerung in Deutschland, wobei es mangels ausl. Steuer nicht zur Anrechnung kommen wird. Ein Beispiel ist die Verschmelzung einer ausl. Personengesellschaft, die inl. Gesellschafter hat, zu Zwischenwerten oder gemeinen Werten auf eine Kapitalgesellschaft, wenn der ausl. Staat den Übertragungsgewinn nicht besteuert, weil er die Personengesellschaft als Kapitalgesellschaft qualifiziert und deshalb nach dem DBA kein Besteuerungsrecht für die Ebene der inl. Gesellschafter in Anspruch nehmen kann. Deutschland hat nach dem DBA an sich kein Besteuerungsrecht, weil der Übertragungsgewinn zu den Betriebsstätteneinkünften gehört und daher freizustellen ist. Besteuert der ausl. Staat die Einbringung, die aus seiner Sicht eine Verschmelzung ist, nicht, beruht die doppelte Nichtbesteuerung auf der Anwendung des DBA entsprechend Abs. 9 S. 1 Nr. 1, weil der Quellenstaat nicht Art. 7, 13 Abs. 2 OECD-MA anwendet, sondern Art. 13 Abs. 5 OECD-MA, da nach dem Recht des ausl. Staats ein Verschmelzungsvorgang vorliegt.[6] Es handelt sich also um einen Qualifikationskonflikt, der unter § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG fällt.

 

Rz. 216b

§ 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1 EStG ist aber nicht anwendbar, wenn der Übertragungsgewinn auch nach der Auslegung des DBA durch den ausl. Staat dort besteuert werden kann, aber aufgrund einer ausdrücklichen Steuerfreistellung nicht besteuert wird.[7]

 

Rz. 217

Die Vorschrift hat tendenziell bei Dividendeneinkünften einen zu weiten Anwendungsbereich. Dividendeneinkünfte werden im Quellenstaat regelmäßig einem begrenzten Quellensteuerabzug unterworfen; das Tatbestandsmerkmal eines "durch das Abkommen begrenzten Steuersatzes" ist also erfüllt. Außerdem...

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