Rz. 274

Sachlich erfasst die Regelung die Erstattungsberechtigung für die KapESt und den Steuerabzug nach § 50a EStG. Die Regelung gilt jedoch nur für die Entlastung von Abzugsteuern nach einem DBA. Sie gilt daher unmittelbar nicht für unilaterale Entlastungen von der KapESt wie § 44a Abs. 9 EStG. § 44a Abs. 9 S. 2 EStG i. d. F. des G. v. 2.6.2021[1] enthält keinen entsprechenden Verweis mehr. Die Anwendung der Vorschrift ist daher auf die Entlastungsberechtigung nach einem DBA beschränkt. Es ist unklar, ob dies ein Versehen des Gesetzgebers ist.

 
Praxis-Beispiel

Erstattungsberechtigung nach § 44a Abs. 9 S. 2 EStG

An der deutschen A-AG ist die Gesellschaft X in einem Nicht-DBA-Staat zu 100 % beteiligt. Die Gesellschaft X wird in Deutschland als intransparent, im Staat X als transparent angesehen. An ihr sind nur natürliche Personen beteiligt, die im Staat X ansässig sind. Die A-AG schüttet eine Dividende aus. Aus deutscher Sicht steht der Erstattungsanspruch nach § 44a Abs. 9 EStG der Gesellschaft X zu. Da § 50d Abs. 11a EStG im Rahmen des § 44a Abs. 9 S. 2 EStG nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar ist, ändert sich an der Erstattungsberechtigung nichts, obwohl die Dividende nach dem Recht des Staates X natürlichen Personen zuzurechnen ist, denen die Erstattungsberechtigung nach § 44a Abs. 9 S. 2 EStG nicht zusteht.

 

Rz. 275

§ 50d Abs. 1 S. 11 EStG gilt nicht für die Entlastung nach EU-Recht. Nicht erfasst wird damit die Reduzierung der KapESt nach der Mutter-Tochter-Richtlinie gem. § 43b EStG und nicht die Ermäßigungen aufgrund der Zins- und Lizenzrichtlinie nach § 50g EStG. Es kann damit bei hybriden Gesellschaftsformen die Situation eintreten, dass der "Gläubiger" der Erträge die Erstattung nach der EU-Richtlinie geltend macht, das "Zurechnungssubjekt" nach § 50d Abs. 11a EStG dagegen nach DBA. Doppelerstattungen sind danach nicht ausgeschlossen.[2] Es kann daher zur Kollision der einzelnen Rechtsgrundlagen kommen. Das beruht darauf, dass diese Vorschrift lediglich den Erstattungsanspruch nach DBA einer anderen Person zuordnet, diese veränderte Zuordnung für andere Rechtsgrundlagen aber nicht gilt. Die EU-Richtlinien definieren, welchen Gesellschaften bzw. Gesellschaftsformen der Erstattungsanspruch nach der Mutter-Tochter-Richtlinie und der Zins- und Lizenz-Richtlinie zustehen. Diesen Erstattungsanspruch auf eine andere Person zu übertragen, hätte gegen die Richtlinien verstoßen.

 
Praxis-Beispiel

Erstattungsanspruch wird von verschiedenen Personen erhoben

An der im Inland ansässigen A-AG ist zu 100 % die im EU-Staat B ansässige B-KGaA beteiligt. Persönlich haftender Gesellschafter ist die ebenfalls im Staat B ansässige C-Kapitalgesellschaft. Die A-AG schüttet Dividende aus und zahlt an die KGaA Lizenzgebühren, die jeweils einer Abzugsteuer unterlagen. Sowohl nach dem anwendbaren DBA als auch nach § 43b, § 50g EStG beträgt die Abzugsteuer jeweils "0", ist also zu erstatten.

 

Rz. 276

Auf die Ansprüche auf Erstattung der KapESt und der Abzugsteuer nach § 50a EStG, die auf dem DBA beruhen, ist § 50d Abs. 11a EStG anzuwenden, da ein Teil der Erträge der Komplementär-Kapitalgesellschaft als stpfl. Gewinn zuzurechnen ist. Der Gläubiger der Kapitalerträge bzw. der Vergütungen, die KGaA, ist insoweit also nicht Zurechnungssubjekt. Insoweit ist der Erstattungsanspruch von der Komplementärin geltend zu machen; die KGaA ist insoweit nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 50d Abs. 11a EStG von der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ausgeschlossen. Die KGaA kann daneben aber den Erstattungsanspruch nach § 43b, § 50g EStG i. V. m. § 50c Abs. 3 S. 1 EStG und den entsprechenden EU-Richtlinien geltend machen. § 50d Abs. 11a EStG schließt die KGaA nur von den Ansprüchen nach DBA aus, nicht von denen nach den EU-Richtlinien; dies wäre auch europarechtswidrig. Das Gesetz enthält auch keinen Hinweis darauf, dass einer der Ansprüche den anderen verdrängen könnte; der Vorrang eines der Ansprüche vor dem anderen ist aus dem Gesetz heraus nicht begründbar. Da sowohl der KGaA als auch dem Komplementär nach dem Gesetz der jeweilige Anspruch zusteht, ist eine Erstattung an beide, und damit eine Doppelerstattung, nicht auszuschließen. Allerdings dürfte die bewusste Herbeiführung einer Doppelerstattung rechtsmissbräuchlich sein, da eine nur einmal gezahlte Steuer nur einmal erstattet werden kann. Jedoch dürfte es im Einzelfall schwierig sein, einen Rechtsmissbrauch nach § 42 AO nachzuweisen. Der Tatbestand des § 42 AO setzt eine unangemessene rechtliche Gestaltung voraus. Die bloße Wahl der Rechtsform einer KGaA ist aber nicht unangemessen, da der Stpfl. die ihm vom Gesetz angebotenen Rechtsformen auch nutzen kann. Darüber hinaus hat der Stpfl. nichts "gestaltet". Die Möglichkeit der Doppelerstattung ist allein durch die unvollständige Regelung durch den Gesetzgeber entstanden. Ein Missbrauchsvorwurf setzt daher voraus, dass der Stpfl. über die Wahl der Rechtsform einer KGaA hinaus Maßnahmen ergriffen hat, um zu einer Doppelerstattung zu ko...

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