3.1 Begriff der Steuerbilanz

 

Rz. 35

Eine Steuerbilanz i. S . einer eigenständigen Bilanz gibt es nicht. Nach § 60 Abs. 2 EStDV ist Grundlage der Besteuerung grundsätzlich die Bilanz, die aus der (ordnungsmäßigen) Buchführung abgeleitet ist, und damit die Handelsbilanz. Lediglich für die Fälle, in denen die Handelsbilanz Ansätze oder Beträge enthält, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen (wohl aber den handelsrechtlichen), müssen diese Ansätze oder Werte in Abweichung von den handelsrechtlichen Vorschriften den steuerlichen Bestimmungen angepasst werden. Vom Grundsatz her erfolgt diese Anpassung nicht in Form einer eigenen Bilanz, sondern durch Zusätze oder Anm. zu der Handelsbilanz. Lediglich dann, wenn der Stpfl. diese Zusätze oder Anm. in Form einer (steuerlichen) Vermögensübersicht vereint, spricht § 60 Abs. 2 EStDV von einer "Steuerbilanz". Die Steuerbilanz ist also lediglich eine aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften an das Steuerrecht angepasste Handelsbilanz.[1] Möglich (und vielfach üblich) ist auch, die Handelsbilanz bereits unter Beachtung der steuerrechtlichen Vorschriften aufzustellen. Dann besteht nur eine Bilanz, die Handelsbilanz, die aber auch den steuerlichen Vorschriften genügt.[2]

 

Rz. 36

Hinsichtlich der Bilanzzwecke besteht zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz ein maßgeblicher Unterschied. Die Handelsbilanz hat verschiedene Zwecke zu erfüllen (Rz. 11). Demgegenüber hat die Steuerbilanz nur einen einzigen Zweck zu erfüllen, nämlich den Gewinn zu ermitteln, der bei dem einzelnen Stpfl. nach dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit der Besteuerung zugrunde zu legen ist, und der nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung besteuert werden muss. Das hat Folgen insbesondere für die handelsrechtlichen Wahlrechte. Während handelsrechtlich Wahlrechte aus verschiedenen Gründen bestehen können, würde die Übernahme dieser Wahlrechte in die Steuerbilanz gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen. Handelsrechtliche Wahlrechte sind daher in der Steuerbilanz grundsätzlich nicht anwendbar (Rz. 51). Steuerlich können Wahlrechte daher nur ausgeübt werden, soweit (auch) das Steuerrecht sie einräumt.

[1] Vgl. hierzu auch Schulze-Osterloh, StuW 1991, 284, 285 m. w. N.
[2] Zur Problematik einer solchen "Einheitsbilanz" vgl. Schulze-Osterloh, StuW 1991, 284, 291.

3.2 Der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

3.2.1 Allgemeines

 

Rz. 37

Für die steuerliche Gewinnermittlung ist nach § 5 Abs. 1 EStG das Vermögen in der Bilanz anzusetzen, das sich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (und Bilanzierung) ergibt. Damit sind diese Grundsätze, und die nach diesen Grundsätzen aufgestellte Handelsbilanz, für die steuerliche Gewinnermittlung maßgebend (Maßgeblichkeitsgrundsatz). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift besteht die Bindung nicht an die tatsächlich aufgestellte Handelsbilanz, sondern an das Betriebsvermögen, das bei Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung auszuweisen ist.

 

Rz. 37a

Der Maßgeblichkeitsgrundsatz gilt auch für die GewSt in der Form, dass Wahlrechte bei der Gewinnermittlung für Zwecke der GewSt nicht anders ausgeübt werden dürfen als für Zwecke der ESt. Die damit begründete Bindung der GewSt an die ertragsteuerliche Steuerbilanz bedeutet gleichzeitig auch eine Bindung an die Handelsbilanz.[1]

 

Rz. 37b

Der Maßgeblichkeitsgrundsatz bildet, trotz der Vielzahl der Durchbrechungen (Rz. 50), die grundlegende Bestimmung für das Verhältnis der Steuerbilanz zur Handelsbilanz. Dieser Grundsatz ermöglicht die "Einheitsbilanz", also eine Bilanz, die handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Zwecken genügt.[2]

 

Rz. 38

Die wesentlichen Vorteile des Maßgeblichkeitsgrundsatzes sind Folgende[3]:

  • Es bedeutet eine erhebliche Arbeitsentlastung für den Stpfl., wenn er für die Besteuerung an die Handelsbilanz anknüpfen kann. Bei Einführung einer eigenständigen Steuerbilanz wäre zu befürchten, dass im Laufe der Zeit ein zweiter Buchführungskreis für steuerliche Zwecke notwendig würde.
  • Die Handelsbilanz bietet einen objektiven Maßstab. Einerseits werden Bilanzgestaltungen verhindert, die ausschließlich der Steuerersparnis dienen; die Kontrollmechanismen des Handelsrechts und die Funktionen der Handelsbilanz, wie z. B. Wirtschaftsprüfertestat, fehlende Ausschüttungsmöglichkeit und fehlende Kreditwürdigkeit infolge zu geringen Gewinnausweises, verhindern dies.[4] Andererseits bietet das Handelsrecht dem Stpfl. einen gewissen Schutz vor übermäßig fiskalischen Bilanzierungsanforderungen.[5]
  • Herangezogen wird auch der "Teilhabegedanke". Wenn der Staat an dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teilhaben solle, dürfe er nicht anders gestellt werden als andere "Teilhaber", d. h. die Gesellschafter. Eine mehrfache Definition des "wirtschaftlichen Erfolgs" sei nicht sachgerecht. Der Gewinn definiere bei Kapitalgesellschaften den Teil des Vermögens, der der Kapitalgesellschaft durch Gewinnausschüttung und Zahlung an den Fiskus entzogen werden könne, ohne gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung zu verstoßen; werd...

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