Rz. 6

Qualifikationskonflikte können u. a. danach unterschieden werden, auf welcher Ebene des Qualifikationsvorgangs diese entstehen können.[1] Dabei kann zwischen den Prozessstufen der Tatsachenermittlung, Sachverhaltseinordnung, der materiellrechtlichen Würdigung und der Abkommensauslegung unterschieden werden.[2] Die auf dieser Ebene entstehenden Konflikte werden häufig aufgrund des sog. Internalisierungseffekts auf die nächsthöhere Ebene weitergetragen.[3]

 

Rz. 7

Grenzüberschreitende Besteuerungsinkongruenzen haben ihren Ursprung insbesondere auf der Ebene der Sachverhaltseinordnung aufgrund divergierender Steuersubjekt- bzw. Steuerobjektqualifikation oder auf der Ebene der materiellrechtlichen Würdigung aufgrund unterschiedlicher Besteuerungskonzepte in den beteiligten Staaten. Da die Ebenen aufeinander aufbauen und daher in Beziehung zueinander stehen, können auf einzelnen Ebenen entstandene Qualifikationskonflikte durch den Internalisierungseffekt bis in die Abkommensebene hineingetragen werden und dort ebenfalls Qualifikationskonflikte auslösen. Folglich können Qualifikationskonflikte i. w. S. zu Qualifikationskonflikten i. e. S. führen.[4] Dadurch, dass Qualifikationskonflikte in der Regel auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts entstehen, können sie auch in Nicht-DBA-Fällen zu Besteuerungsinkongruenzen führen.

 

Rz. 8

Ebene der Sachverhaltseinordnung: Qualifikationskonflikte auf der Ebene der Sachverhaltseinordnung können bei grenzüberschreitenden Strukturen aus der unterschiedlichen unilateralen steuerlichen Einordnung von Finanzinstrumenten im Rahmen der Steuerobjektqualifikation in den beteiligten Staaten oder der unterschiedlichen steuerlichen Einordnung von Rechtsträgern im Rahmen der Steuersubjektqualifikation resultieren.[5] Da die Steuerobjektqualifikation häufig mit der Steuersubjekteigenschaft zusammenhängt, können beide Arten von Konflikten auch in Kombination auftreten.[6]

 

Rz. 9

Steuerobjektqualifikation: Konflikte im Rahmen der Steuerobjektqualifikation können insbesondere bei der Qualifikation von hybriden Finanzinstrumenten entstehen, da diese aufgrund ihrer flexiblen Ausgestaltungsmöglichkeiten anfällig für Qualifikationskonflikte sind.[7]

Nach dem deutschen Handelsrecht sind hybride Finanzinstrumente entweder als Eigen- oder als Fremdkapital einzuordnen. Dies ergibt sich insbesondere aus § 247 Abs. 1 HGB. Danach sind neben dem Anlage- und Umlaufvermögen, auch das Eigenkapital und die Schulden gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern. Das Handelsrecht definiert dabei jedoch weder den Eigenkapitalbegriff noch den Fremdkapitalbegriff.[8] Für die handelsbilanzielle Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital ist die Funktion des zu beurteilenden Finanzinstruments von entscheidender Bedeutung.[9] Entsprechend einer funktionalen Betrachtungsweise ist entscheidend, ob das zu beurteilende Finanzinstrument als Risikoträger fungiert, mithin insbesondere Haftungs- und Verlustausgleichsfunktionen wahr­nimmt.[10] Hybride Finanzierungsinstrumente, die eine Haftungsfunktion gegenüber den Gläubigern übernehmen, werden handelsrechtlich somit in der Regel als Eigenkapital ausgewiesen.[11] Bei komplexen hybriden Finanzinstrumenten können diese Abgrenzungskriterien allerdings an ihre Grenzen gelangen.[12]

Sofern steuerliche Sondervorschriften nicht eingreifen, gilt aufgrund des in § 5 Abs. 1 EStG verorteten Maßgeblichkeitsprinzips die handelsrechtliche Qualifikation grundsätzlich auch für steuerliche Zwecke.[13] Eine solche steuerliche Sondervorschrift ist beispielsweise § 8 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 KStG (sog. Genussrecht-Test).[14] Unabhängig von der handelsrechtlichen Einordnung als Eigen- oder Fremdkapital, wird gem. § 8 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 KStG die Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage durch den Abzug der Vergütung für Kapitalüberlassung verweigert, wenn damit ein Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös verbunden ist. In diesem Zusammenhang wird zwischen beteiligungsähnlichen bzw. qualifizierten Genussrechten und obligationsähnlichen bzw. einfachen Genussrechten differenziert.[15] Folglich sind geleistete Vergütungen auf beteiligungsähnliche Genussrechte nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig, während geleistete Vergütungen auf obligationsähnliche Genussrechte als Betriebsausgabe abgezogen werden können.[16] Somit ist möglich, dass Vergütungen für Genussrechte, die nicht kumulativ eine Beteiligung am Gewinn und Liquidationserlös vermitteln, als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, während das Genussrechtskapital unter bestimmten Voraussetzungen im Jahresabschluss als Eigenkapital ausgewiesen wird.[17] Der Genussrecht-Test ist nicht nur auf Genussrechte anzuwenden, sondern auch auf sämtliche Finanzinstrumente, die nicht dem formellen Eigenkapital zuzuordnen sind.[18] Bei der Regelung des § 8 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 KStG handelt es sich um eine außerbilanzielle Korrekturvorschrift auf der zweiten Ebene der Gewinnermittlung und nicht um eine eigenständige steuerliche Bilanzierungsvors...

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