1 Allgemeines und Systematik der Norm

1.1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 43b EStG (bis Vz 2000: § 44d EStG a. F.)[1]  regelt die KapESt-Entlastung auf Dividenden und andere Gewinnausschüttungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG), die einer Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, oder einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU gelegenen Betriebsstätte dieser Muttergesellschaft, aus Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft zufließen.[2] Die Mutter ist daneben bereits grundsätzlich nach § 8b KStG freigestellt. Mit § 43b EStG wurde der inländische Tochtergesellschaften betreffende, für das Halbeinkünfteverfahren geltende Teil der Richtlinie Nr. 90/435/EWG v. 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, die sog. Mutter-Tochter- oder Konzernrichtlinie[3], in innerstaatliches deutsches Steuerrecht umgesetzt. Damit setzt § 43b EStG die (mittlerweile neugefasste) Mutter-Tochter-Richtlinie 2011/96/EU v. 30.11.2011[4] in nationales Recht um.[5] Durch die Mutter-Tochter-Richtlinie wird eine einheitliche Regelung des Quellensteuerentlastungsverfahrens innerhalb Europas angestrebt.[6] Dabei soll eine Doppelbesteuerung von Gewinnen, die eine in einem Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft ausschüttet, verhindert werden.[7] § 43b EStG dient somit der Vermeidung der Doppelbesteuerung von KSt bei unternehmerischen Beteiligungen in der EU.[8]

Daneben sind in der Anlage 2 (zu § 43b EStG) die Gesellschaftsformen und weitere Voraussetzungen aufgezählt, die für die KapESt-Entlastung erfüllt werden müssen.

[1] Änderung durch das Steuersenkungsgesetz v. 23.10.2000, BGBl I 2000, 1433.
[2] Eilers/Schiessl, Zur Quellensteuervergünstigung nach der Mutter-Tochter-Richtlinie, DStR 1997, 721; Jesse, Richtlinien-Umsetzungsgesetz-EURLUmsG: Anpassung des § 43b EStG (Kapitalertragsteuerbefreiung) an die geänderte Mutter-Tochter-Richtlinie, IStR 2005, 151; Intemann, Die Neuregelung zur Steuerpflicht von Streubesitzdividenden, BB 2013, 1239; Berger/Tetzlaff, Kapitalertragsteuererstattungsanspruch einer EU-Muttergesellschaft – Unmittelbare Beteiligung auch bei Zwischenschaltung einer Personengesellschaft, NWB 2018, 2103.
[3] Abl. EU 1990 L 225, 6.
[4] ABl. EU 2011 L 345, 8 v. 29.12.2011.
[5] BT-Drs. 18/4902, 44; Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 2018, § 43b EStG Rz. 1.
[6] FAQ des BZSt zum Erstattungsverfahren, https://www.bzst.de/DE/Steuern_International/Kapitalertragsteuerentlastung/Auslaendische_Antragsteller/FAQ/KapSt_AuslAntragst_FAQ_node.html.
[7] FAQ des BZSt zum Erstattungsverfahren, https://www.bzst.de/DE/Steuern_International/Kapitalertragsteuerentlastung/Auslaendische_Antragsteller/FAQ/KapSt_AuslAntragst_FAQ_node.html.
[8] Lindberg, in Blümich, EStG/ KStG/GewStG § 43b EStG Rz. 2.

1.2 Systematik und Verhältnis zu anderen Vorschriften

1.2.1 Allgemeine Systematik

 

Rz. 1a

Abs. 1 S. 1 enthält den KapESt-Entlastungsanspruch, für den ein Antrag notwendig ist. Der Anspruch auf KapESt-Entlastung gilt nach Abs. 1 S. 2 auch für Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft, die einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU gelegenen Betriebsstätte einer unbeschränkt stpfl. Muttergesellschaft zufließen. Abs. 2 definiert i. V. m. der Anlage 2 (zu § 43b EStG) den Begriff der Muttergesellschaft. Abs. 2a definiert den Begriff der Betriebsstätte i. S. d. Abs 1 und 2. Die Abs. 3 und 4 wurden aufgehoben.

1.2.2 Anlage 2 (zu § 43b EStG)

 

Rz. 1b

Die Anlage 2 (zu § 43b EStG) zählt die Gesellschaften i. S. d. RL 2011/96/EU auf. Nach Nr. 1 der Anlage 2 sind dies Gesellschaften mit bestimmten Formen nach dem jeweiligen nationalen Recht. Nr. 2 der Anlage 2 bezieht Gesellschaften ein, die nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaates in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz als in diesem Staat ansässig betrachtet wird und aufgrund eines mit einem dritten Staat geschlossenen DBA in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz nicht als außerhalb der Gemeinschaft ansässig betrachtet wird. Nach Nr. 3 der Anlage 2 zählen dazu auch bestimmte genannte Gesellschaften, die ohne Wahlmöglichkeit einer der folgenden Steuern oder irgendeiner Steuer, die eine dieser Steuern ersetzt, unterliegt, ohne davon befreit zu sein.

Um in den Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie zu fallen, muss eine Gesellschaft bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Sie muss zum einen

  • eine der in der Anlage 2 (zu § 43b EStG) genannten Gesellschaftsformen aufweisen und
  • zum anderen einer der genannten Steuern unterliegen.

1.2.3 Verhältnis zu § 43 EStG

 

Rz. 1c

§ 43b EStG stellt eine Ausnahme des Grundsatzes der KapESt-Pflicht nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar.[1] Auf Antrag werden Erträge i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG von der KapESt-Pflicht befreit.

[1] Gersch, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 2008, § 43b EStG A 5, A 12.

1.2.4 Verhältnis zu § 50d EStG

 

Rz. 1d

§ 50d Abs. 1 EStG regelt das Verfahren zur Befreiung von der KapESt. § 50d Abs. 1 EStG regelt das Erstattungsverfahren, § 50d Abs. 2 EStG das Freistellungsverfahren. Ist dagegen der Missbrauchstatbestand nach § 50d Abs. 3 EStG erfüllt, besteht kein Anspruch nach § 43b EStG auf Befrei...

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