Rz. 383

Wenn auch die Fälle der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine andere Betriebsstätte die häufigsten Fälle der Entstrickung sein werden, kann eine Entstrickung doch auch auf andere Weise erfolgen. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG knüpft nur an die Tatsache der Entstrickung an und macht die Regelung nicht davon abhängig, auf welche Weise diese Entstrickung erfolgt.

 

Rz. 383a

So wird das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik ausgeschlossen, wenn mit dem Staat, in dem der Stpfl. eine Betriebsstätte unterhält, ein DBA mit Freistellungsmethode abgeschlossen wird.[1] Dann wird das bisher bestehende Besteuerungsrecht mit Anrechnung durch Eingreifen der Freistellungsmethode ausgeschlossen. Bemerkenswert an diesem Fall ist, dass eine Entstrickung ohne Zutun des Stpfl. erfolgt; eine "Entstrickungshandlung" oder ein "Entstrickungswille" des Stpfl. sind nicht erforderlich (Rz. 373). Dies hat zur Folge, dass bei Outbound-Investitionen die Gefahr einer passiven Entstrickung durch rein staatliches Handeln besteht, auf die der Stpfl. keinen Einfluss nehmen kann.[2] Es ist kritisch zu sehen, dass der Stpfl. mit den Rechtsfolgen einer Entstrickung konfrontiert wird, obwohl kein eigenes Handeln vorliegt.

Insbesondere sind immobilienbestimmte Gesellschaften von diesem Risiko betroffen, da zahlreiche deutsche DBA noch keine dem Art. 13 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Regelung enthalten.[3] Entsprechendes gilt, wenn ein DBA mit Anrechnungsmethode in ein DBA mit Freistellungsmethode geändert wird.

 

Rz. 384

Eine weitere Frage ist, ob die Vorschrift anwendbar ist, wenn eine Zwischengesellschaft i. S. d. §§ 7ff. AStG in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft durch Ausweitung ihres Geschäftsbetriebs oder auf sonstige Weise (Erhöhung des Steuersatzes des Ansässigkeitsstaats) aus der Hinzurechnungsbesteuerung ausscheidet. In diesem Fall kann Deutschland die Gewinne aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter der Kapitalgesellschaft, die bei Veräußerung einen Teil des Hinzurechnungsbetrags bilden würde, nicht mehr besteuern.

 

Rz. 384a

Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Systematik der §§ 7ff. AStG ab; diese ist aber nicht konsistent. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 AStG ist der Gewinn der Zwischengesellschaft bei dem Gesellschafter steuerpflichtig; dies spricht dafür, dass der Gewinn der Zwischengesellschaft dem Gesellschafter zur Versteuerung zugewiesen wird. Ebenso die Regelung des § 10 Abs. 1 S. 1 AStG, wonach die steuerpflichtigen Einkünfte der Zwischengesellschaft bei dem Gesellschafter anzusetzen sind. Ein Gewinn aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern der Zwischengesellschaft wäre daher auch bei dem Gesellschafter ein Gewinn aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter; in den genannten Fällen würde die Bundesrepublik dieses Besteuerungsrecht verlieren, die Entstrickungsregel des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG wäre anwendbar.

 

Rz. 385

Dem widerspricht aber die "Ausschüttungsfiktion" des § 10 Abs. 2 AStG. Danach werden dem Gesellschafter nicht laufende Gewinne und Veräußerungsgewinne der Zwischengesellschaft zugerechnet, sondern der Hinzurechnungsbetrag ist eine fiktive Gewinnausschüttung der Zwischengesellschaft. Nur auf dieser Grundlage ist auch § 10 Abs. 2 S. 3 AStG verständlich, wonach § 3 Nr. 40 EStG, § 32d EStG und § 8b Abs. 1 KStG nicht gelten. Würden dem Gesellschafter unmittelbar die Gewinne der Zwischengesellschaft zugewiesen, würde für eine Anwendung dieser Vorschriften jede Basis fehlen, ihre Anwendung brauchte also auch nicht ausgeschlossen zu werden. Auch der Zeitpunkt der Zurechnung, nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs der Zwischengesellschaft[4], spricht für die Ausschüttungsfiktion. Das Besteuerungsrecht für eine Gewinnausschüttung bzw. im Fall des Hinzurechnungsbetrags eine fiktive Gewinnausschüttung ist aber etwas anderes als das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts; auch ist der Hinzurechnungsbetrag selbst kein Wirtschaftsgut.[5] M. E. folgt daraus, dass die Entstrickungsregelung auf den Hinzurechnungsbetrag bei Zwischengesellschaften in der Rechtsform der Körperschaft nicht anzuwenden ist.

 

Rz. 386

Anders ist es jedoch, wenn eine Betriebsstätte oder eine "Zwischengesellschaft" in der Rechtsform einer Personengesellschaft unterhalten wird. Eine Beschränkung des Besteuerungsrechts tritt nämlich auch ein, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem Bereich der Anrechnungsmethode in den der Freistellungsmethode wechselt. Das kann bei Betriebsstätten oder Personengesellschaften mit nicht aktiven Einkünften zu Schwierigkeiten führen. Für solche Betriebsstätten bzw. Personengesellschaften gilt nach einer Vielzahl von DBA nicht die Freistellungs-, sondern die Anrechnungsmethode. Außerdem bestimmt § 20 Abs. 2 AStG für diese Betriebsstätten generell, unter Bruch der DBA ("treaty override"), dass an die Stelle der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode tritt. Wenn eine solche Betriebsstätte bzw. Personengesellschaft mit ursprünglich passiven Einkünften durch Änderung oder Ausbau ihrer Aktivitäten zu ein...

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