Rz. 58

Nach § 3a Abs. 1 S. 2 EStG sind steuerliche Wahlrechte im Sanierungsjahr und im Folgejahr im zu sanierenden Unternehmen gewinnmindernd auszuüben, wenn Sanierungserträge nach § 3a Abs. 1 S. 1 EStG steuerbefreit sind. Als Beispiel hierfür bestimmt § 3a Abs. 1 S. 3 EStG, dass insbesondere der niedrigere Teilwert, der nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 und Nr. 2 S. 2 EStG angesetzt werden kann, im Sanierungsjahr und im Folgejahr anzusetzen ist.

 

Rz. 59

Der Gesetzeswortlaut stellt hierbei auf das zu sanierende Unternehmen ab. Hierzu gehört bei Mitunternehmerschaften unstreitig der Gesamthandsbereich.[1] Insbesondere aufgrund des Umstands, dass auch der jeweilige Mitunternehmer i. d. R. von der Steuerbefreiung nach § 3a EStG profitiert, wird auch befürwortet, den Sondervermögensbereich unter den Begriff des zu sanierenden Unternehmens zu fassen und dementsprechend auch hier eine Pflicht zur Wahlrechtsausübung anzunehmen.[2]

Auch wenn für diese Ansicht zusätzlich noch die systematische Stellung und Funktion des Sondervermögensbereichs bei Mitunternehmerschaften sprechen mag, erscheint diese Sichtweise dennoch nicht ganz zwingend. § 3a Abs. 1 und 2 EStG behandeln die unternehmens- und nicht die unternehmerbezogene Sanierung und innerhalb des § 3a EStG wird insbesondere im Katalog des § 3a Abs. 3 S, 2 EStG zwischen der Ebene des Einzel- bzw. Mitunternehmers und dem zu sanierenden Unternehmen durchaus bei der Wortwahl differenziert. § 3a Abs. 5 EStG verweist überdies auch nicht auf § 3a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG.

 

Rz. 60

Des Weiteren ist festzuhalten, dass sich das Gesetz nur auf steuerliche Wahlrechte bezieht. Hierunter werden steuerbilanzielle Ansatz- und Bewertungswahlrechte auf gesetzlicher Grundlage – nicht auch auf Grundlage einer Verwaltungsanordnung, da ansonsten die Pflicht zur Disposition der Finanzbehörden stünde und der Gesetzesvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG unterlaufen würde[3] – sowie außerbilanzielle Wahlrechte gefasst.[4] Rein handelsbilanzielle Wahlrechte fallen nicht hierunter, selbst wenn sich diese über den Grundsatz der Maßgeblichkeit auch steuerlich auswirken.[5]

 

Rz. 61

Die steuerlichen Wahlrechte müssen zudem gewinnmindernd ausgeübt werden. Vom Sinn und Zweck der Vorschrift sollten daher steuerliche Wahlrechte, die letztlich keine Wirkung auf den steuerlich relevante Bemessungsgrundlage – auch wenn § 3a Abs. 1 S. 2 EStG von "Gewinnminderung" spricht – haben, wie z. B. § 8b Abs. 3 S. 3 KStG, nicht unter § 3a Abs. 1 S. 2 EStG fallen.[6] Zweifelhaft ist zudem, ob die in § 3a Abs. 1 S. 2 EStG verankerte Pflicht nur die Hebung stiller Lasten betrifft oder auch weitergehend eine Pflicht beinhaltet, eine Gewinnerhöhung z. B. durch die Realisierung stiller Reserven zu verhindern.[7] Plakativ wird dies unter anderem im Zusammenhang mit der Bildung von steuerlichen Rücklagen nach § 6b EStG diskutiert.[8]

Dies verkennt allerdings den Umstand, dass eine Vielzahl von Maßnahmen zur Rettung von Unternehmen nicht nur Erträge hervorrufen, die durch den Wegfall von Verbindlichkeiten entstehen, sondern auch durch Vorgänge auf der Aktivseite der Bilanz hervorgerufen werden (z. B. im Fall der Verwertung von Sicherheiten). Auf letztgenannte Vorgänge bzw. die hieraus resultierenden Erträge findet § 3a EStG keine Anwendung. Entsprechend ist es fraglich, ob das Unternehmen dann auch Potenzial abziehen darf, um solche Erträge zu verrechnen. Die mit einer Bejahung dieser Frage einhergehende "Verzerrung" wird gerade im Fall der Rücklage nach § 6b EStG bei ihrer ertragswirksamen Auflösung (und dazugehörigen Zinseffekten) in der weiteren Zukunft greifbar.[9] Der Aspekte der notwendigen "Balance" manifestiert sich auch bei der Frage, ob man steuerliche Wahlrechte gewinnmindern nur bis zur Höhe des geminderten Sanierungsertrags[10] oder letztlich in voller Höhe ausüben muss.[11] Dies entscheidet das Gesetz in § 3a Abs. 1 S. EStG lediglich im Hinblick auf den Ansatz des niedrigen Teilwerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 und Nr. 2 S. 2 EStG zugunsten der letztgenannten Ansicht. Insgesamt können die Bestimmungen in § 3a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG damit deutlich überschießend wirken[12] – auch über den Zweck der Vermeidung einer Doppelbegünstigung, wie sie z. B. bei § 3 Nr. 66 EStG a. F. diskutiert wurde, hinaus.

 

Rz. 62

Die Pflichten aus § 3a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG bestehen in dem Jahr, in dem der Sanierungsertrag entstehen, und im darauffolgenden Jahr. Ein etwaiger hieraus resultierender Verlust im Folgejahr, würde dann von § 3a Abs. 3 S. 2 Nr. 12 EStG erfasst.

[1] Seer, in Kirchhof, EStG, 2023, § 3a EStG Rz. 15; Hallerbach, in H/H/R, EStG/KStG, § 3a EStG Rz. 17.
[2] Bodden, in Korn, EStG, § 3a EStG Rz. 66; Krumm, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 3a EStG Rz. 34; Seer, in: Kirchhof, EStG, 2023, § 3a EStG Rz. 15; Hallerbach, in H/H/R, EStG/KStG, § 3a EStG Rz. 17.
[3] Kanzler, in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner/Geserich, EStG, 2023, § 3a EStG Rz. 90; Levedag, in: Schmidt, EStG, 2023, § 3a EStG Rz. 34; Hallerbach, in H/H/R, EStG/KStG, § 3a EStG...

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