Rz. 8

Aufgrund der Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a. F. waren ab dem Vz 1998 Sanierungsgewinne im Grundsatz ertragsteuerpflichtig. Eine Entlastung war lediglich im Wege der Billigkeitsregelungen nach §§ 163, 222 und 227 AO zu erreichen.

Die Finanzverwaltung konkretisierte diese Billigkeitspraxis im Jahr 2003 durch den sog. "Sanierungserlass".[1]

Der Sanierungserlass galt vornehmlich für die ESt und KSt. Für Zwecke der GewSt als kommunal erhobener Steuer hat die Finanzverwaltung seine Bindungswirkung weitgehend verneint.[2]

Im "Sanierungserlass" verband die Finanzverwaltung – in einem mehrstufigen Ansatz – insbesondere zu § 3 Nr. 66 EStG a. F. entwickelte Grundsätze mit einer Reihe von Verlustverrechnungsanforderungen. Neben der Legitimation des "Sanierungserlasses" – angesichts der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. durch den Gesetzgeber – stand auch stets seine Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilferecht in der Diskussion.

 

Rz. 9

Der GrS des BFH entzog dem Sanierungserlass am 28.11.2016 schließlich die Grundlage, indem er feststellte, dass die Finanzverwaltung mit dem unter den Voraussetzungen des Sanierungserlasses vorgesehenen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt. Dies machte eine gesetzliche Grundlage für eine weitere steuerliche Entlastung von Sanierungsgewinnen erforderlich.[3]

 

Rz. 10

Die notwendige gesetzliche Regelung hat der Gesetzgeber dann mit § 3a EStG, § 3c Abs. 4 EStG und § 7b GewStG eingeführt,[4] Das Inkrafttreten des § 3a EStG wurde allerdings zunächst unter den Vorbehalt eines Beschlusses der Europäischen Kommission gestellt, dass die Neuausgestaltung entweder keine Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV oder mit dem EU-Binnenmarkt vereinbarte Beihilfe darstellt.[5] Der geforderte förmliche Notifizierungs-Beschluss wurde jedoch nicht gefasst. Die Europäische Kommission soll stattdessen in einem sog. "comfort letter" an die Bundesrepublik Deutschland[6] die gesetzliche Neuregelung als Bestandsschutz genießende sog. Altbeihilfe qualifiziert haben.[7] Auf den ersten Blick erscheint eine solche Beurteilung bei einem neuen Gesetz unpassend. Zieht man allerdings den Umstand heran, dass die Nichtbesteuerung von Sanierungserträgen seit über 90 Jahren bekannt und weitgehende Praxis ist, kann man diese Argumentation durchaus teilen.[8] Hierbei vernachlässigt man allerdings, dass diese Praxis zumindest für eine gewisse Zeit ohne die notwendige Legitimität bestanden hat.[9] Trotz des Umstands, dass dieser Reaktion der Europäischen Kommission in Form eines "comfort letter" formal keine Bindungswirkung gegenüber dem EuGH und den nationalen Gerichten zukommt[10] und damit gewisse Restunsicherheiten verbleiben,[11]

hat der Gesetzgeber den vorgenannten Vorbehalt aufgehoben[12] und die gesetzliche Neuregelung in Kraft gesetzt. Im Hinblick auf die vorgenannten Restunsicherheiten wird richtigerweise ausgeführt, dass zumindest im Lichte der bisherigen Rspr. des EuGH[13] die Europäische Kommission durch ihren "comfort letter" einen gewissen Vertrauens- bzw. Dispositionsschutz hergestellt hat.[14]

§ 3a EStG ist dann durch einen neuen Abs. 3a ergänzt worden[15]; die Anwendung richtet sich nach § 52 Abs. 4a S. 1 bis 4 EStG.

 

Rz. 11

Die Finanzverwaltung reagierte darüber hinaus auf den Beschluss des GrS des BFH zum Sanierungserlass zeitnah mit Übergangsregelungen.[16] Aus Vertrauensschutzgründen wurde darin festhalten, dass der Sanierungserlass auf bis einschließlich zum 8.2.2017 (Tag der Veröffentlichung des Beschlusses des GrS des BFH) endgültig vollzogene Forderungsverzichte weiterhin zur Anwendung kommen soll, wobei ein Forderungsverzicht, der Gegenstand eines Insolvenzplans ist, mit der Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts über die Bestätigung des Insolvenzplans als endgültig vollzogen gilt. Zudem sollen bis zum vorgenannten Stichtag erteilte verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 2 AO) oder verbindliche Zusagen (§§ 204ff. AO) zur Anwendung des Sanierungserlasses weder zurückgenommen noch aufgehoben werden, wenn der relevante Forderungsverzicht bis zur Entscheidung über die Aufhebung bzw. Rücknahme der verbindlichen Auskunft bzw. Zusage ganz oder im Wesentlichen vollzogen wurde oder im Einzelfall anderweitige Vertrauensschutzgründe (z. B. Vollzug des in Umsetzung befindlichen Sanierungsplans, Verlust der Einflussmöglichkeit auf den Forderungsverzicht) vorliegen. Nach dem vorgenannten Stichtag erteilte verbindliche Auskünfte bzw. Zusagen sollen nur dann nicht zurückgenommen werden, wenn der relevante Forderungsverzicht bis zur Rücknahmeentscheidung vollzogen wurde. In allen anderen Fällen bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung sollen Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 S. 2 AO und § 222 AO unter Widerrufsvorbehalt erfolgen; § 227 AO soll nicht mehr angewandt werden. In diesem Rahmen soll auch die Erteilung von verbindlichen Auskünften möglich sein.

Die Rspr. akzeptierte diese Übergangsregelungen und die weitere...

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