Rz. 53

§ 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG bestimmt, dass für Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG nicht der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG, sondern der progressive Normaltarif i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG zur Anwendung kommt. Die Regelung ist nach Ansicht des Gesetzgebers zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen erforderlich. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG sieht für Erträge aus Lebensversicherungen im Erlebensfall oder bei Rückkauf des Vertrags unter bestimmten Voraussetzungen eine hälftige Steuerbefreiung vor. Die Anwendung des proportionalen Sondertarifs i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG würde in diesen Fällen zu einer Steuerbelastung i. H. v. 25 % × 50 % = 12,5 % führen, wodurch Lebensversicherungen gegenüber anderen Kapitalanlagen über die Maßen steuerlich begünstigt würden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es in diesen Fällen daher bei der Anwendung des progressiven Normaltarifs i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG bleiben.[1] Gleichzeitig wird die Anwendung des Verlustverrechnungsverbots i. S. d. § 20 Abs. 6 EStG ausgeschlossen.[2] Das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 EStG bleibt dagegen unberührt. Der Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 1.000 EUR kann daher abgezogen werden. Die Anrechnung ausl. Quellensteuern richtet sich in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG abweichend von § 32d Abs. 5 EStG nach § 34c EStG.

 

Rz. 54

§ 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt nur für Erträge aus Lebensversicherungen im Erlebensfall oder bei Rückkauf des Vertrags, die nach dem 31.12.2004 abgeschlossen wurden (Neuverträge). Sofern diese nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG hälftig steuerbefreit sind, kommt nach § 32d Abs. 2 Nr. 2 S. 1 EStG der progressive Normaltarif i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG zur Anwendung. Erfüllt eine Lebensversicherung die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG nicht, unterliegen die Erträge in voller Höhe der Besteuerung und es findet der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG Anwendung. Gleiches gilt, wenn der Stpfl. die Versicherung an einen Dritten veräußert. In diesem Fall erzielt er Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 EStG, die ebenfalls dem proportionalen Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG gegeben sind oder nicht. Keine Anwendung findet § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG ferner auf Erträge aus Lebensversicherungen im Erlebensfall oder bei Rückkauf des Vertrags, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurden (Altverträge). Erfüllt die Versicherung in diesem Fall die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG a. F., sind die Erträge vollständig steuerbefreit. Anderenfalls unterliegen sie in voller Höhe der Besteuerung und es kommt der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG zur Anwendung. Gleiches gilt, wenn die Lebensversicherung an einen Dritten veräußert wird. Sind in diesem Fall die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG a. F. erfüllt, löst die Veräußerung keine Steuerpflicht aus. Anderenfalls kommt § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 EStG zur Anwendung und es gilt der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG.

 

Begünstigte Lebensversicherungen[3]

Sachverhalt:

Rentner R hat am 1.1.2005 eine Lebensversicherung auf den Erlebens- und Todesfall i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG abgeschlossen. Im Erlebensfall bietet die Versicherung R eine Altersvorsorge durch eine Kapitalzahlung. Im Todesfall sichert sie die Hinterbliebenen des R wirtschaftlich ab. Zu einem Rückkauf des Vertrags oder einer Veräußerung der Versicherung an einen Dritten kommt es in der Folge nicht. Vielmehr entrichtet R in den folgenden 30 Jahren Beiträge i. H. v. 50.000 EUR und erhält am 1.1.2035 eine Versicherungsleistung i. H. v. 100.000 EUR ausbezahlt.

Lösung:

Sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG erfüllt, muss R nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG Erträge i. H. v. (100.000 EUR ./. 50.000 EUR) × 0,5 = 25.000 EUR versteuern. In diesem Fall findet nach § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG der progressive Normaltarif i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG Anwendung. Liegen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG nicht vor, unterliegen 100.000 EUR ./. 50.000 EUR = 50.000 EUR der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG. Es kommt der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG zur Anwendung.

Rz. 55 einstweilen frei

[1] BT-Drs. 16/4841, 61.
[2] BT-Drs. 16/4841, 61.
[3] Nach Jachmann/Strohm, Abgeltungsteuer, 2011, 31.

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