Rz. 30

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG sieht vor, dass für Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Abs. 2 S. 1 Nr. 4 u. 7 EStG nicht der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG, sondern der progressive Normaltarif i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG zur Anwendung kommt, wenn der Stpfl. bei der Einkünfteerzielung einen in dieser Vorschrift genannten, typisierten Missbrauchstatbestand verwirklicht hat. Erfasst sind bestimmte Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge in Form von Kapitalüberlassungen zwischen nahestehenden Personen, bestimmte Fälle der Gesellschafter-Fremdfinanzierung und wechselseitige Kapitalüberlassungen in Form von "Back-to-Back"-Finanzierungen. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG ist nach Ansicht des Gesetzgebers geboten, um Gestaltungen zu verhindern, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung zwischen den niedrig besteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG und den höher besteuerten Gewinneinkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 EStG betriebliche Gewinne, z. B. in Form von Darlehenszinsen, abgesaugt werden und so die Steuerbelastung vom regulären ESt-Tarif auf den besonderen Abgeltungsteuertarif reduziert wird.[1] Darüber hinaus rechtfertigt der Gesetzgeber § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG damit, dass es ein grundlegendes Ziel der Einführung der Abgeltungsteuer ist, die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu verbessern, um den Kapitalabfluss ins Ausland zu bremsen, nicht jedoch, dass Eigenkapital in die privilegierte Anlageebene verlagert und durch Fremdkapital ersetzt wird. Die Regelung soll damit auch die Eigenkapitalbasis deutscher Unternehmen stärken und einen Beitrag zur Finanzierungsneutralität leisten.[2] § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG ist indes nicht auf den betrieblichen Bereich beschränkt. Die Vorschrift findet auch dann Anwendung, wenn Einkünfte aus den höher besteuerten Überschusseinkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 6 und 7 EStG in die niedrig besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG verlagert werden.[3]

 

Rz. 31

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG gilt nur für laufende Erträge aus stillen Beteiligungen und partiarischen Darlehen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG und laufende Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sowie für Gewinne aus der Veräußerung von stillen Beteiligungen und partiarischen Darlehen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG und Gewinne aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG. Andere Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG werden nicht erfasst. Liegen die weiteren Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG vor, findet auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 7 EStG nicht der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG i. H. v. 25 %, sondern der progressive Normaltarif i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG i. H. v. bis zu 45 % Anwendung. Der Gesetzgeber geht in diesen Fällen aufgrund der engen, in § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG beschriebenen Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge typisierend davon aus, dass eine missbräuchliche Verlagerung von Einkünften aus den höher besteuerten anderen Einkunftsarten in die niedrig besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG vorliegt.[4] Ein Gegenbeweis ist dem Stpfl. nicht möglich. Der BFH hat dies im Grundsatz gebilligt, jedoch eine einschränkende Auslegung des Begriffs der nahestehenden Person i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG vorgenommen.[5] Folge der Anwendung des progressiven Normaltarifs i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG ist dann aber, dass das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 EStG und das Verlustverrechnungsverbot i. S. d. § 20 Abs. 6 EStG keine Anwendung finden. Das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 EStG kommt auch dann nicht zur Anwendung, wenn keine Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 7 EStG erzielt werden.[6] Ein Abzug des Sparer-Pauschbetrags i. H. v. 1.000 EUR ist ausgeschlossen.[7] Die Anrechnung ausl. Quellensteuern richtet sich in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG abweichend von § 32d Abs. 5 EStG nach der allgemeinen Anrechnungsregel des § 34c EStG.

 

Rz. 32

 
Hinweis

Anwendung bei Stiftungen

Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG bei Kapitalüberlassungen an Stiftungen entsprechend anzuwenden.[8] Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, jedoch müssen bei der Anwendung von § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG im Zusammenhang mit Stiftungen deren Besonderheiten beachtet werden. Bei Stiftungen handelt es sich um Einrichtungen, die mithilfe eines Vermögens einen vom Stifter festgelegten Zweck verfolgen. Sie können in unterschiedlichen Rechtsformen auftreten. Stiftungen besitzen keine Gesellschafter, sondern Destinatäre. Die Destinatäre sind diejenigen Personen, denen die Vorteile der Stiftung zukommen sollen. Da Stiftungen keine Gesellschafter besitzen, sind diejenigen Tatbestände des § 32d Abs...

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