Rz. 28

§ 32d Abs. 2 EStG regelt Fälle, in denen für bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG nicht der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG, sondern der progressive Normaltarif i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG zur Anwendung kommt. Die Vorschrift betrifft unterschiedliche Konstellationen. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG soll bei Kapitalerträgen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Abs. 2 S. 1 Nr. 4 u. 7 EStG eine missbräuchliche Verlagerung von Einkünften aus den höher besteuerten anderen Einkunftsarten in die niedrig besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG verhindern. Durch § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG soll gewährleistet werden, dass Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG gegenüber anderen Kapitalerträgen nicht bevorzugt werden. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG soll bei Kapitalerträgen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG einen Abzug von Werbungskosten ermöglichen, wenn eine Kapitalbeteiligung aus einem unternehmerischen Interesse erworben wurde. Durch § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG soll sichergestellt werden, dass der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG für Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 9 EStG nur gilt, soweit diese das Einkommen der ausschüttenden Körperschaft nicht gemindert haben. Die Anwendung des progressiven Normaltarifs i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG in den von § 32d Abs. 2 EStG erfassten Fällen erfolgt im Veranlagungsverfahren. Im Rahmen des Steuerabzugs vom Kapitalertrag findet § 32d Abs. 2 EStG keine Anwendung. Der Stpfl. ist daher gezwungen, die betroffenen Kapitalerträge in der Steuererklärung anzugeben, wobei die Angabe in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1, 2 und 4 EStG verpflichtend ist und in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG von einem Antrag des Stpfl. abhängt. Sofern in den Fällen des § 32d Abs. 2 EStG KapESt einbehalten wurde, wird diese nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG im Veranlagungsverfahren angerechnet.

 

Rz. 29

 
Regelung Sachverhalt
§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG Typisierte Missbrauchstatbestände
§ 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG Begünstigte Lebensversicherungen
§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG Unternehmerische Beteiligungen
§ 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG Ausschüttungen von Körperschaften

3.1 Typisierte Missbrauchstatbestände, Nr. 1

 

Rz. 30

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG sieht vor, dass für Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Abs. 2 S. 1 Nr. 4 u. 7 EStG nicht der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG, sondern der progressive Normaltarif i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG zur Anwendung kommt, wenn der Stpfl. bei der Einkünfteerzielung einen in dieser Vorschrift genannten, typisierten Missbrauchstatbestand verwirklicht hat. Erfasst sind bestimmte Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge in Form von Kapitalüberlassungen zwischen nahestehenden Personen, bestimmte Fälle der Gesellschafter-Fremdfinanzierung und wechselseitige Kapitalüberlassungen in Form von "Back-to-Back"-Finanzierungen. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG ist nach Ansicht des Gesetzgebers geboten, um Gestaltungen zu verhindern, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung zwischen den niedrig besteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG und den höher besteuerten Gewinneinkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 EStG betriebliche Gewinne, z. B. in Form von Darlehenszinsen, abgesaugt werden und so die Steuerbelastung vom regulären ESt-Tarif auf den besonderen Abgeltungsteuertarif reduziert wird.[1] Darüber hinaus rechtfertigt der Gesetzgeber § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG damit, dass es ein grundlegendes Ziel der Einführung der Abgeltungsteuer ist, die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu verbessern, um den Kapitalabfluss ins Ausland zu bremsen, nicht jedoch, dass Eigenkapital in die privilegierte Anlageebene verlagert und durch Fremdkapital ersetzt wird. Die Regelung soll damit auch die Eigenkapitalbasis deutscher Unternehmen stärken und einen Beitrag zur Finanzierungsneutralität leisten.[2] § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG ist indes nicht auf den betrieblichen Bereich beschränkt. Die Vorschrift findet auch dann Anwendung, wenn Einkünfte aus den höher besteuerten Überschusseinkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 6 und 7 EStG in die niedrig besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG verlagert werden.[3]

 

Rz. 31

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG gilt nur für laufende Erträge aus stillen Beteiligungen und partiarischen Darlehen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG und laufende Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sowie für Gewinne aus der Veräußerung von stillen Beteiligungen und partiarischen Darlehen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG und Gewinne aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG. Andere Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG werden nicht erfasst. Liegen die weiteren Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG vor, findet auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 7 EStG nicht der proportionale Sondertarif i. S. d. §...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge